Erste Entscheidungen zu Datenschutz-Klagen gegen Facebook

OLG Oldenburg, Pressemitteilung vom 19.04.2024 zu den Urteilen 13 U 59/23, 13 U 79/23 und 13 U 60/23 vom 19.04.2024

Dass nicht allen Nutzerinnen und Nutzern, die von einem Facebook-Datenleck betroffen sind, automatisch ein Schadenersatzanspruch zugesprochen werden kann, zeigen nun erste Entscheidungen des 13. Zivilsenats des OLG Oldenburg. Der auf den Datenschutz spezialisierte Senat hat drei von gegenwärtig über 100 am Oberlandesgericht anhängigen Berufungen aus diesem Komplex als unbegründet zurückgewiesen und damit die klagabweisenden Urteile der Landgerichte bestätigt.

Anlass der Rechtsstreitigkeiten sind sog. Scraping-Fälle im Internet. Unbekannte hatten in einem technisch ausgeklügelten Verfahren zahlreiche Telefonnummern von Nutzerinnen und Nutzern der Plattform in Erfahrung gebracht und veröffentlicht. Die Kläger bringen vor, von diesem Vorfall betroffen zu sein. Sie führen unerwünschte Werbeanrufe und SMS (z. B. gefälschte Paketbenachrichtigungen) auf die Veröffentlichung ihrer Mobilfunknummer zurück. Die Klagen richten sich gegen die Betreiberin der Plattform und zielen auf die Zahlung von Schadensersatz aufgrund unzureichender Sicherung ihrer Daten ab.

Die Landgerichte hatten die Klagen abgewiesen. Aber auch mit ihren Berufungen hatten die Klägerinnen und Kläger keinen Erfolg. Denn nach der Entscheidung des Senats müssen Klagende zusätzlich zu einem Datenschutzverstoß für ihren jeweiligen Einzelfall einen individuellen Schaden darlegen und beweisen. Für diesen Nachweis reiche es nicht aus, überhaupt von dem Datenleck betroffen zu sein. Vielmehr sei für jeden konkreten Einzelfall zu prüfen, ob die Befürchtung, die eigenen Daten könnten missbräuchlich von Dritten verwendet werden, tatsächlich begründet ist.

In den jetzt entschiedenen Fällen hatte der Senat deshalb das persönliche Erscheinen der Klägerinnen und Kläger angeordnet und sie in der mündlichen Verhandlung persönlich angehört. Die Aussagen waren für den Senat jedoch nicht ausreichend, um sich von einem individuellen Schaden zu überzeugen. Offen blieb für den Senat auch, ob die unerwünschten Anrufe und SMS auf den Scraping-Vorfall oder auf eine mögliche anderweitige unbedachte Preisgabe persönlicher Daten im Internet zurückzuführen waren. Die Berufungen blieben daher erfolglos.

Quelle: Oberlandesgericht Oldenburg

Eilantrag eines Bezirksschornsteinfegers gegen seine Abberufung ohne Erfolg

VG Gießen, Pressemitteilung vom 19.04.2024 zum Beschluss 1 L 883/24 vom 17.04.2024

Die 1. Kammer des Verwaltungsgerichts Gießen hat kürzlich den Eilantrag eines Schornsteinfegers aus dem Landkreis Gießen abgelehnt, der sich gegen die Aufhebung seiner Bestellung als Bezirksschornsteinfeger wandte.

Der Antragsteller ist seit rund zwanzig Jahren als öffentlich bestellter Schornsteinfeger tätig, zuletzt in einem Bezirk im Landkreis Gießen. Das Regierungspräsidium Darmstadt hob mit Bescheid vom 14. März 2024 die Bestellung des Antragstellers als bevollmächtigter Bezirksschornsteinfeger für diesen Bezirk auf. Dies begründete die Behörde damit, dass erhebliche Defizite bei der Durchführung von Feuerstättenschauen und der Führung des sogenannten „Kehrbuchs“ vorlägen. Mangels Feuerstättenbescheiden seien Eigentümer nicht über notwendige Kehrarbeiten in Kenntnis gesetzt worden. Darüber hinaus habe es zahlreiche Beschwerden hinsichtlich des persönlichen Auftretens gegeben.

Der Antragsteller machte demgegenüber im Gerichtsverfahren geltend, dass er in seiner beruflichen Laufbahn bereits zweimal beanstandungsfrei einen Schornsteinfegerbezirk übergeben habe. Bis zum Sommer 2022 habe er seinen Bezirk auch weitgehend beanstandungsfrei verwaltet.

Dem folgte das Gericht nicht. Es sei nachweislich durch Tatsachen belegt, dass der Antragsteller die erforderliche Zuverlässigkeit für die Ausübung seines Amtes nicht besitze. Die Kammer betonte, dass an die Zuverlässigkeit eines Bezirksschornsteinfegers in Anbetracht der ihm übertragenen öffentlichen Aufgaben im Bereich des Brand- und Immissionsschutzes hohe Anforderungen zu stellen seien. Diese Anforderungen erfülle der Antragsteller nicht, was sich durch die besonders gravierenden Nachlässigkeiten im fachlichen Bereich gezeigt habe. So habe in einem großen Teil der Gebäude in seinem Bezirk die letzte Feuerstättenschau über fünf Jahre zurückgelegen. Bei über der Hälfte der Grundstücke habe es seit Beginn der Tätigkeit des Antragstellers in dem Gießener Bezirk gar keine Feuerstättenschau gegeben. Das Kehrbuch sei nicht auf dem neusten Stand gehalten worden.

Ergänzend stützte die Kammer ihre Entscheidung auf die persönliche Unzuverlässigkeit des Antragstellers. An dieser bestünden durchgreifende Zweifel mit Blick auf zahlreiche Beschwerden hinsichtlich seines persönlichen Auftretens bei Feuerstättenschauen und seiner fehlenden Erreichbarkeit bzw. Kommunikation.

Die Entscheidung (Beschluss vom 17. April 2024, Az.: 1 L 883/24.GI) ist noch nicht rechtskräftig. Die Beteiligten können dagegen binnen zwei Wochen Beschwerde beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel einlegen.

Quelle: Verwaltungsgericht Gießen

Gesetzliche Krankenkasse muss Behandlungskosten für entwichenen Häftling erstatten

SG Hannover, Pressemitteilung vom 19.04.2024 zum Urteil S 11 KR 285/19 KH vom 31.01.2024 (rkr)

Das Sozialgericht Hannover hat am 31. Januar 2024 entschieden, dass eine gesetzliche Krankenkasse verpflichtet ist, einem Krankenhaus die Behandlungskosten in Höhe von ca. 20.000 Euro für einen entwichenen Häftling zu erstatten. Der Fall bezieht sich auf einen Vorfall aus dem Jahre 2016, als der Häftling nach Vollzugslockerungen nicht in die Justizvollzugsanstalt zurückkehrte, sondern bei einem – in angenommener suizidaler Absicht – verschuldeten Verkehrsunfall schwer verletzt wurde und noch am Aufnahmetag im Krankenhaus seinen Verletzungen erlag.

Das klagende Krankenhaus vertrat die Auffassung, der Strafvollzug im Rahmen des offenen Vollzuges sei durch die Flucht unterbrochen worden. Der Verletzte habe deshalb zum Behandlungszeitpunkt keinen Anspruch auf Gesundheitsfürsorge durch die Vollzugsbehörde gehabt. Da nach dem Gesetz kein anderweitiger Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall bestanden habe, sei der Verletzte aufgrund der Auffangpflichtversicherung bei der beklagten Krankenkasse, bei der der Verletzte vor seiner Inhaftierung aufgrund einer Beschäftigung pflichtversichert war, pflichtversichert gewesen.

Die Kammer entschied zugunsten des Krankenhauses und urteilte, dass die gesetzliche Krankenkasse, die Behandlungskosten zu erstatten habe. Der Häftling sei mit seinem Entweichen aus dem offenen Vollzug in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungspflichtig gewesen. Denn er habe keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall gehabt. Dieser anderweitige Anspruch auf Gesundheitsfürsorge durch die Vollzugsbehörde, der bei Urlaub oder Ausgang bestehe, habe durch seine Flucht geendet. Die Justizverwaltung hatte keinerlei amtlichen Gewahrsam mehr. Eine polizeiliche Festnahme, die die Fortsetzung des Strafvollzugs hätte begründen können, konnte nicht mehr stattfinden.

Das Urteil ist rechtskräftig.

Quelle: Sozialgericht Hannover

Wirtschaftsexperten erwarten leichten Rückgang der Inflation weltweit

ifo Institut, Pressemitteilung vom 19.04.2024

Wirtschaftsexpertinnen und -experten aus aller Welt erwarten einen Rückgang der Inflationsraten in den kommenden Jahren. Das geht aus dem Economic Experts Survey hervor, einer vierteljährlichen Umfrage des ifo Instituts und des Instituts für Schweizer Wirtschaftspolitik. Demnach wird die Inflationsrate im Jahr 2024 weltweit 4,6 % erreichen, im kommenden Jahr dann 4,4 % und 2027 noch 4,0 %. In Deutschland werden für dieses Jahr 3,1 % erwartet, in Österreich 4,2 und in der Schweiz 1,8 %. „Im Vergleich zum vorherigen Quartal sind die Inflationserwartungen für dieses Jahr erneut gesunken“, sagt ifo-Forscher Niklas Potrafke. „Doch gehen die Experten in der mittleren Frist von weiterhin recht hohen Inflationsraten weltweit aus, die über den Inflationszielen der Zentralbanken liegen.“

In Westeuropa (2,8 %) und Nordamerika (3,1 %) liegen die Inflationserwartungen für 2024 deutlich unter dem weltweiten Durchschnitt. Hier sind die Inflationserwartungen für 2024 im Vergleich zur Umfrage im letzten Quartal um 0,3 bzw. 0,2 Prozentpunkte gesunken. Für das Jahr 2027 erwarten die Expertinnen und Experten noch 2,0 % Inflation für Westeuropa und 2,3 % für Nordamerika.

Zu den Regionen mit besonders hohen Inflationserwartungen zählen Südamerika und weite Teile Afrikas. Dort werden Inflationsraten von über 20 % erwartet. An der Umfrage vom 12. bis zum 26. März 2024 haben 1.508 Expertinnen und Experten aus 125 Ländern teilgenommen.

Quelle: ifo Institut

2G-Zugangsbeschränkungen für nicht der Deckung des täglichen Bedarfs dienende Ladengeschäfte durch die saarländischen Verordnungen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie vom 30. Dezember 2021 und 12. Januar 2022 waren nicht hinreichend bestimmt

BVerwG, Pressemitteilung vom 18.04.2024 zum Urteil 3 CN 8.22 vom 18.04.2024

Die Regelungen der saarländischen Verordnungen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie (VO-CP) vom 30. Dezember 2021 und 12. Januar 2022 über die Zulässigkeit des Zugangs zu nicht der Deckung des täglichen Bedarfs dienenden Ladengeschäften nur mit 2G-Nachweis* waren unvereinbar mit dem Gebot der Bestimmtheit von Rechtsnormen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig am 18. April 2024 entschieden.

Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 7 VO-CP vom 30. Dezember 2021 und § 6 Abs. 1 Nr. 6 VO-CP vom 12. Januar 2022 war der Zugang zu Ladenlokalen nur mit 2G-Nachweis zulässig; nach Absatz 3 hatten die Betreiber der Ladenlokale die Einhaltung der Nachweispflichten sicherzustellen. Davon ausgenommen waren Ladenlokale, deren Waren- oder Dienstleistungsangebot der Deckung des täglichen Bedarfs diente. Zur Deckung des täglichen Bedarfs gehörten insbesondere die in § 6 Abs. 1 Nr. 7 Satz 2 bzw. Nr. 6 Satz 2 aufgeführten Betriebe, Einrichtungen und Waren. Das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes hat auf die Normenkontrollanträge von Betreibern von Elektronikfachmärkten mit Urteil vom 21. Juli 2022 festgestellt, dass § 6 Abs. 1 Nr. 7 und Abs. 3 VO-CP vom 30. Dezember 2021 sowie § 6 Abs. 1 Nr. 6 und Abs. 3 VO-CP vom 12. Januar 2022 unwirksam waren. Das Bundesverwaltungsgericht hat die dagegen gerichtete Revision des Saarlandes zurückgewiesen.

Nach der für das Bundesverwaltungsgericht verbindlichen Auslegung der Landesverordnungen durch das Oberverwaltungsgericht war der Anwendungsbereich der Ausnahmeregelung in § 6 Abs. 1 Nr. 7 Satz 2 bzw. Nr. 6 Satz 2 VO-CP unklar. Ausgehend davon hat das Oberverwaltungsgericht ohne Verstoß gegen Bundesrecht angenommen, die Regelungen hätten den Anforderungen an die Normenklarheit und -bestimmtheit aus Art. 20 Abs. 3 GG nicht genügt.

Soweit das Oberverwaltungsgericht auf die Normenkontrollanträge der Antragstellerinnen außerdem festgestellt hat, dass § 6 Abs. 1 Nr. 7 und Abs. 3 VO-CP vom 22. Dezember 2021 unwirksam war, hatte die Revision des Saarlandes Erfolg. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Urteil des Oberverwaltungsgerichts insoweit aufgehoben und die Sache zurückverwiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat die Bewertung, die Ausnahme von der 2G-Zugangsbeschränkung für Mischsortimenter (§ 6 Abs. 1 Nr. 7 Satz 2 Buchst. o VO-CP vom 22. Dezember 2021**) habe gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verstoßen, auf zu schmaler Tatsachengrundlage getroffen; seine Feststellungen genügen nicht, um einen sachlichen Grund für die gerügte Ungleichbehandlung zu verneinen (vgl. PM vom heutigen Tag Nr. 16/2024).

Fußnote

* Ein 2G-Nachweis im Sinne der genannten Verordnungen war ein Nachweis über einen Impfschutz gegen COVID-19 oder ein Nachweis über eine Genesung von einer COVID-19-Erkrankung.

** § 6 Abs. 1 Nr. 7 Satz 2 Buchst. o VO-CP vom 22. Dezember 2021 lautete:

Zur Grundversorgung zählen

[…]

o) Mischsortimenter, in deren gesamtem Warenangebot der von der 2G-Regelung ausgenommene Sortimentsteil wesentlich überwiegt.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht

Corona-Pandemie: OVG Saarland muss erneut über die Schließung von Ladengeschäften des Einzelhandels im Februar und März 2021 entscheiden

BVerwG, Pressemitteilung vom 18.04.2024 zu den Urteilen 3 CN 7.22, 3 CN 11.22 und 3 CN 12.22 vom 18.04.2024

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat am 18. April 2024 drei Urteile des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes zu Schließungen und Beschränkungen des Einzelhandels im Saarland im Februar und März 2021 aufgehoben und die Sachen zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.

Die Antragstellerinnen in den drei Normenkontrollverfahren betreiben einen Elektronikfachmarkt (BVerwG 3 CN 7.22), sog. Non-Food-Einzelhandelsgeschäfte (BVerwG 3 CN 11.22) bzw. Möbel- und Einrichtungshäuser (BVerwG 3 CN 12.22). Sie wenden sich gegen die Schließung von Ladengeschäften durch § 7 Abs. 3 der saarländischen Verordnung zur Bekämpfung der Corona-Pandemie (VO-CP) vom 18. Februar 2021. Nach dieser Vorschrift war die Öffnung von Ladengeschäften des Einzelhandels grundsätzlich untersagt; Ausnahmen waren unter anderem für den Lebensmittelhandel und Drogeriemärkte vorgesehen. Wenn der jeweils erlaubte Sortimentsteil im gesamten Warenangebot wesentlich überwog, durften diese Geschäfte auch andere Sortimente vertreiben, die sie gewöhnlich verkauften („Mischsortimentsklausel“). Die Antragstellerinnen des Verfahrens BVerwG 3 CN 12.22 wenden sich zudem gegen spätere Fassungen der Norm, die die Öffnung von nicht von den Ausnahmeregelungen erfassten Ladengeschäften des Einzelhandels nur zuließ, wenn nach vorheriger Vereinbarung Termine für den Besuch vergeben wurden („Click & Meet“).

Mit Urteilen vom 21. Juli 2022 bzw. 15. September 2022 hat das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes die Unwirksamkeit des § 7 Abs. 3 VO-CP vom 18. Februar 2021 festgestellt. Die Vorschrift habe gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen, denn die Zulässigkeit des Verkaufs von Mischsortimenten durch die privilegierten Betriebe habe die Antragstellerinnen gleichheitswidrig belastet. Im Verfahren BVerwG 3 CN 12.22 hat das Oberverwaltungsgericht die Unwirksamkeit des § 7 Abs. 3 VO-CP vom 18. Februar, 26. Februar und 6. März 2021 festgestellt, soweit die Vorschriften den Betrieb von Einrichtungs- und Möbelhäusern verboten. Auch insoweit hat es einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG bejaht; außerdem hätten die Bestimmungen unverhältnismäßig in die Grundrechte der Antragstellerinnen eingegriffen.

Auf die Revisionen des Saarlandes hat das Bundesverwaltungsgericht die Urteile aufgehoben und die Sachen an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat die Bewertung, die sog. Mischsortimentsklausel habe gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen, auf zu schmaler Tatsachengrundlage getroffen; seine Feststellungen genügen nicht, um einen sachlichen Grund für die gerügte Ungleichbehandlung zu verneinen. Bei der Annahme, die angegriffenen Vorschriften seien unverhältnismäßig und damit unwirksam gewesen, soweit der Betrieb von Möbel- und Einrichtungshäusern untersagt war, hat es die Erforderlichkeit der Maßnahmen verneint, ohne − wie geboten − den Einschätzungsspielraum und die Typisierungsbefugnis des Verordnungsgebers zu berücksichtigen. Zudem hat es bei der Prüfung der Wirksamkeit von stattdessen in Betracht kommenden Hygienemaßnahmen allein die Ladengeschäfte der Antragstellerinnen betrachtet, ohne die übrigen Möbel- und Einrichtungshäuser in den Blick zu nehmen.

Mangels hinreichender tatsächlicher Feststellungen konnte das Bundesverwaltungsgericht nicht abschließend über die Anträge entscheiden; das hat zur Zurückverweisung der Verfahren an das Oberverwaltungsgericht geführt.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht

Erfolgsfaktor Daten: Industrie offen, aber noch zurückhaltend bei Manufacturing-X

Bitkom, Pressemitteilung vom 18.04.2024

  • Potenzial digitalisierter Wertschöpfungsketten wird vor allem in mehr Nachhaltigkeit und Produktivität gesehen
  • 77 Prozent der Unternehmen haben schon von Manufacturing-X gehört
  • Ein Drittel der Industrie offen für Beteilung, Mehrheit hat sich aber noch gar nicht damit befasst

Produktivität steigern, Lieferengpässe vermeiden, Nachhaltigkeit verbessern – geht es nach der deutschen Industrie, sollen künftig Daten eine zentrale Rolle in der Produktion spielen. So geht jedes dritte Industrieunternehmen (34 Prozent) davon aus, dass der Austausch von Daten entlang der Wertschöpfungskette entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie sein wird. Das ergibt eine Umfrage im Auftrag des Digitalverbands Bitkom unter 604 Unternehmen, darunter 160 Industrieunternehmen, im Vorfeld der Hannover Messe.

Das Ziel, ein solches unternehmensübergreifendes Datenökosystem zu schaffen, verfolgt die Initiative Manufacturing-X. Sie soll eine durchgängige Datenvernetzung aller an der Wertschöpfung beteiligten Akteure ermöglichen und so die globale Vorreiterrolle der deutschen Industrie sichern. Sie steht auch im Zentrum der Hannover Messe in der kommenden Woche. Den meisten deutschen Industrieunternehmen ist die Initiative zwar ein Begriff, nur eine Minderheit hat sich bisher aber aktiv mit ihr beschäftigt: Insgesamt 77 Prozent der deutschen Industrieunternehmen haben schon einmal von Manufacturing-X gehört oder gelesen. Bisher gibt jedoch nur 1 Prozent der Unternehmen an, sich bereits zu beteiligen, weitere 4 Prozent der Industrieunternehmen planen eine Beteiligung.

Sehr viel mehr wären dafür generell offen: 29 Prozent können sich eine Beteiligung vorstellen. Die meisten (58 Prozent) der Industrieunternehmen beteiligen sich bislang nicht, weil sie sich bisher zu wenig oder gar nicht damit beschäftigt haben. Nur 2 Prozent haben sich aktiv gegen eine Beteiligung entschieden. Derzeit laufen erste Förderprojekte. „Die große Offenheit der Unternehmen gegenüber einem stärkeren Datenaustausch zeigt, dass das Potenzial digitalisierter Wertschöpfungsketten in der Industrie erkannt wird. Die Unternehmen sollten sich intensiv mit dem komplexen Thema digitaler Datenräume auseinandersetzen, um deren Vorteile möglichst bald realisieren zu können. Langfristig kann der volle Nutzen eines digitalen Datenraums für die Industrie nur dann entfaltet werden, wenn alle an der Wertschöpfungskette Beteiligten mitmachen“, so Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder.

Konkret meinen 49 Prozent der Industrieunternehmen, dass der digitale Austausch von Daten entlang der Wertschöpfungskette die Produktivität der deutschen Industrie steigern wird. 41 Prozent der Unternehmen sagen, dies macht die deutsche Industrie widerstandsfähiger gegen Störungen wie zum Beispiel Lieferengpässe. Außerdem ist mehr als die Hälfte (55 Prozent) der Industrieunternehmen überzeugt, dass digitale Wertschöpfungsketten einen zentralen Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit in der Industrie leisten werden. „Bislang können Daten in einzelnen Unternehmen Abläufe transparent machen und zu einer effizienteren und nachhaltigeren Steuerung genutzt werden. Noch mehr kann aber gewonnen werden, wenn ein Datenaustausch zwischen Unternehmen ermöglicht wird und so Prozesse entlang der gesamten Wertschöpfungskette detailliert aufeinander abgestimmt werden“, so Rohleder. „Für einen solchen Austausch braucht es einheitliche Standards und eine sichere Plattform. Hier ist Manufacturing-X der Schlüssel.“

Quelle: Bitkom

Erzeugerpreise März 2024: -2,9 % gegenüber März 2023

Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung vom 19.04.2024

Erzeugerpreise gewerblicher Produkte (Inlandsabsatz), März 2024
-2,9 % zum Vorjahresmonat
0,2 % zum Vormonat

Die Erzeugerpreise gewerblicher Produkte waren im März 2024 um 2,9 % niedriger als im März 2023. Im Februar hatte die Veränderungsrate gegenüber dem Vorjahresmonat bei -4,1 % gelegen. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) weiter mitteilt, stiegen die Erzeugerpreise im März 2024 gegenüber dem Vormonat Februar um 0,2 %.

Hauptursächlich für den Rückgang der Erzeugerpreise gegenüber dem Vorjahresmonat waren auch im März 2024 die Preisrückgänge bei Energie. Vorleistungsgüter waren ebenfalls billiger als im März 2023, während Konsum- und Investitionsgüter teurer waren.

Starke Preisrückgänge bei Erdgas in der Verteilung und Strom

Energie war im März 2024 um 7,0 % billiger als im März 2023. Gegenüber Februar 2024 blieben die Energiepreise unverändert. Den höchsten Einfluss auf die Veränderungsrate gegenüber dem Vorjahresmonat bei Energie hatten die Preisrückgänge für Erdgas und elektrischen Strom. Die Gaspreise fielen über alle Abnehmergruppen betrachtet gegenüber März 2023 um 15,4 % (-0,6 % gegenüber Februar 2024). Strom kostete im März 2024 über alle Abnehmergruppen hinweg 12,6 % weniger als im März 2023. Gegenüber dem Vormonat Februar 2024 stiegen die Strompreise um 0,1 %.

Mineralölerzeugnisse waren 1,0 % billiger als im März 2023. Gegenüber Februar 2024 stiegen diese Preise um 0,7 %. Leichtes Heizöl kostete 3,6 % mehr als ein Jahr zuvor (-2,5 % gegenüber Februar 2024). Die Preise für Kraftstoffe waren gegenüber dem Vorjahresmonat unverändert (-0,4 % gegenüber Februar 2024).

Ohne Berücksichtigung von Energie waren die Erzeugerpreise 0,8 % niedriger als im März 2023 und stiegen gegenüber Februar 2024 um 0,3 %.

Die Preise für Vorleistungsgüter waren im März 2024 um 3,7 % niedriger als ein Jahr zuvor. Gegenüber dem Vormonat stiegen sie leicht um 0,1 %.

Der Preisrückgang im Vorjahresvergleich wurde vor allem durch die Preisentwicklung für Metalle und chemische Grundstoffe verursacht. Metalle waren 6,6 % billiger als im März 2023. Gegenüber dem Vormonat stiegen die Metallpreise um 0,3 %. Roheisen, Stahl und Ferrolegierungen kosteten 10,3 % weniger als im März 2023. Die Preise für Betonstahl in Stäben sanken im Vorjahresvergleich um 8,7 %. Chemische Grundstoffe waren insgesamt 9,0 % billiger als im Vorjahresmonat. Besonders stark sanken die Preise gegenüber März 2023 für Düngemittel und Stickstoffverbindungen (-27,2 %). Synthetischer Kautschuk war 15,7 % billiger als im März 2023. Futtermittel für Nutztiere war 19,6 % und Papier und Pappe 15,9 % günstiger als im Vorjahresmonat.

Preissteigerungen gegenüber März 2023 gab es dagegen unter anderem bei Mörtel (+5,5 %), Kalk (+5,4 %) und Gipserzeugnissen für den Bau (+4,9 %). Natursteine, Kies, Sand, Ton und Kaolin kosteten 8,0 % mehr als im Vorjahresmonat, darunter Baukies und natürliche Sande mit einer Preissteigerung von 8,5 %.

Leichter Preisanstieg bei Verbrauchsgütern

Die Preise für Verbrauchsgüter waren im März 2024 um 0,3 % höher als im März 2023. Gegenüber Februar 2024 wurden Verbrauchsgüter 0,6 % teurer.

Nahrungsmittel kosteten im März 2024 mit -0,3 % leicht weniger als im März 2023 (+0,9 % gegenüber dem Vormonat). Billiger als im Vorjahresmonat waren im März 2024 insbesondere nicht behandelte pflanzliche Öle (-13,3 %). Die Preise für Milch sanken um 11,0 %, Kaffee kostete 7,3 % weniger als im März 2023, Süßwaren hingegen waren 16,5 % teurer als im März 2023. Butter kostete 13,2 % mehr als im Vorjahr, gegenüber Februar 2024 stiegen die Butterpreise um 2,5 %.

Gebrauchsgüter waren im März 2024 um 1,0 % teurer als ein Jahr zuvor. Gegenüber Februar 2024 stiegen diese Preise um 0,1 %.

Die Preise für Investitionsgüter waren 2,8 % höher als im Vorjahresmonat, insbesondere verursacht durch die Preissteigerungen bei Maschinen (+3,0 %) sowie bei Kraftwagen und Kraftwagenteilen (+2,2 %). Gegenüber Februar 2024 stiegen die Preise für Investitionsgüter um 0,2 %. (…)

Quelle: Statistisches Bundesamt (Destatis)

Streit um Erbe: Der letzte Wille ist (nicht immer) eindeutig

LG Lübeck, Mitteilung vom 18.04.2024 zum Urteil 6 O 206/22 vom 13.12.2023 (nrkr)

Im Streit um das Erbe hatte das Landgericht Lübeck den Willen der Verstorbenen zu ermitteln. Das Ergebnis: Eines der Kinder wurde enterbt.

Eine Familie ist zerstritten. Die Mutter setzt handschriftlich ein Schreiben mit Betreff Pflichtteilsentzug für eines ihrer Kinder auf. Jahre später verfasst die Mutter maschinell ein Schreiben, wonach im Falle ihres Todes ein Kind ihr Grundstück und Vermögen erhalten und ein anderes Kind vom Erbe ausgeschlossen sein soll. Die Mutter verstirbt, die Kinder streiten um das Erbe.

Vor dem Landgericht Lübeck meint das eine Kind, es liege kein wirksames Testament vor, er sei also gesetzlicher Erbe. Das Geschwisterkind entgegnet, es sei mit dem Schreiben der Mutter als alleiniger Erbe eingesetzt worden.

Was steht dazu im Gesetz?

Jeder kann durch ein Testament festlegen, wer nach seinem Tode erben soll (und wer nicht). Das Testament muss von Hand geschrieben sein, eine Unterschrift unter einem gedruckten Text reicht nicht aus. Das Gericht muss ermitteln, was die verstorbene Person regeln wollte (§ 2084 BGB). Wenn keine Erben benannt wurden, greift die gesetzliche Erbfolge. Danach erben Kinder zu gleichen Teilen (§ 1924 BGB). Sie können zwar enterbt werden, haben dann aber einen Anspruch auf einen Mindestanteil, den sog. Pflichtteil (§§ 2303 ff. BGB). In bestimmten Fällen kann dieser entzogen werden (§ 2333 BGB).

Wie hat das Gericht entschieden?

Das Gericht hat entschieden, dass es ein gültiges Testament gibt, in dem ein Kind enterbt wurde. Dabei hat das Gericht die Schreiben der Mutter sowie die Umstände vor und nach deren Erstellung berücksichtigt. Das maschinell geschriebene Dokument sei kein gültiges Testament, könne aber zur Interpretation des handschriftlichen Schreibens herangezogen werden. Daraus ergebe sich, dass die Mutter das Kind enterben wollte. Das lasse sich sowohl durch die familiären Umstände als auch frühere dahingehende Äußerungen der Mutter bestätigen.

Das Urteil vom 13.12.2023 (Az. 6 O 206/22) ist nicht rechtskräftig.

Quelle: Landgericht Lübeck

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Steuerberater Marcus Ferchland erklärt im Interview, wie er seine Kanzlei über die vergangenen Jahre Schritt für Schritt digitalisiert hat.