Trotz Frührente arbeiten: Wie hoch ist die Abgabenbelastung?

IW Köln, Pressemitteilung vom 07.06.2023

Seit Jahresbeginn dürfen Frührentner unbegrenzt hinzuverdienen. Auch wenn die Rente nicht gekürzt wird: Die Abgabenbelastung des Hinzuverdiensts unterscheidet sich teilweise stark. Eine neue Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zeigt, wer wie stark belastet wird.

In Frührente gehen und trotzdem weiterarbeiten: Seit Beginn des Jahres 2023 dürfen Frührentner unbegrenzt viel verdienen, ohne dass Geld von der Rente abgezogen wird – die sogenannte Hinzuverdienstgrenze ist damit Geschichte. Die Bundesregierung hofft so, mehr Erwerbstätige im Job zu halten, um den Fachkräftemangel abzuschwächen. Doch weil die Rente steuerpflichtiges Einkommen ist, muss auf sie Einkommensteuer gezahlt werden. Rente und Gehalt werden daher zusammengerechnet, nach dem Gesamtbetrag berechnet sich die Steuer. Dadurch steigt für weiterarbeitende Frührentner die Abgabenlast. Wer als Single etwa 15.000 Euro Rente im Jahr bezieht und 25.000 Euro hinzuverdient, hat Abgaben von 38,4 Prozent auf diesen Hinzuverdienst. Ohne Rente läge die Steuerbelastung dieses Gehalts bei 26,6 Prozent, wie eine neue IW-Studie zeigt.

Ehepaare kommen am besten weg

Generell lohnt es sich seit Januar finanziell immer, ein arbeitender Frührentner zu sein – allerdings sinkt der Arbeitsanreiz durch die höhere Abgabenlast. Denn je nach Rentenhöhe, Gehalt und Familienstand steigt die Abgabenlast unterschiedlich stark. Die Berechnungen zeigen, dass ein Single mit einer Rente von 25.000 Euro jährlich und einem Hinzuverdienst von 100.000 Euro im Schnitt 46 Prozent Steuern zahlt – Spitzenwert in der IW-Auswertung. Besonders günstig kommen dagegen Ehepaare weg: Aufgrund des Ehegattensplittings profitieren sie ohnehin steuerlich, der Wegfall der Hinzuverdienstgrenze ändert daran nichts. In keinem der untersuchten Szenarien steigt die Abgabenlast für Ehepaare über 40 Prozent.

Effekt für den Arbeitsmarkt zweifelhaft

2027 will die Bundesregierung Bilanz ziehen. Ob die Neuerung tatsächlich den Fachkräftemangel abmildern kann, ist zumindest zweifelhaft. „Wer sich nach 45 Jahren Arbeit bisher entschieden hat, weiterzuarbeiten, kann nun Rente und Arbeitseinkommen beziehen“, sagt Studienautor und IW-Steuerexperte Martin Beznoska. „Das zusätzliche Geld wird mitgenommen, die hohe Abgabenlast wird bei der Überlegung keine Rolle spielen. Und wer vor Erreichen der Regelaltersgrenze weniger arbeiten möchte, wird auch in Zukunft vermutlich eher den Minijob wählen.“ Die Neuregelung werde es nicht schaffen, die Schäden am Arbeitsmarkt, die durch die „Rente mit 63“ verursacht werden, auszugleichen.

Quelle: IW Köln

Fahrzeughalter muss für die Beseitigung ausgelaufenen Öls vor Pfälzerwaldhütte aufkommen

VG Neustadt, Pressemitteilung vom 09.06.2023 zum Urteil 4 K 661/22 vom 26.05.2023

Die Klage des Halters eines Fahrzeugs, aus dem im Dezember 2019 Öl in den Boden vor der Pfälzerwaldhütte „Im Schneiderfeld“ bei Dahn ausgetreten war, wurde von der 4. Kammer des Verwaltungsgerichts abgewiesen. Der Rechtsstreit dreht sich um einen Kostenbescheid in Höhe von knapp 9.000,00 Euro für die Bodensanierung, die der beklagte Landkreis Südwestpfalz infolge des Ölunfalls veranlasst hatte.

Der Kläger war im Dezember 2019 mit seinem Fahrzeug zur Pfälzerwaldhütte „Im Schneiderfeld“ gefahren. Dort fuhr er auf den Vorplatz bis nahe an die Eingangstür zur Hütte heran. Auf diesem Vorplatz sind im Sommer Tische, Stühle und Sonnenschirme aufgestellt. Der ausgewiesene Parkplatz, der zur Hütte gehört, befindet sich nördlich der Hütte. Das Grundstück steht im Eigentum der Stadt Dahn und liegt im Wasserschutzgebiet. Beim Heranfahren an die Hütte riss sich der Fahrzeugführer die Ölwanne seines Fahrzeugs an einer Metallstange zur Befestigung eines Sonnenschirms, die aus dem Boden ragte, auf und Öl trat aus. Die hinzugerufene Feuerwehr streute zunächst die betroffene Fläche (ca. 120 m²) mit Ölbindemittel ab. Da es schneite, zog die Feuerwehr außerdem einen kleinen Graben um die Schadenstelle, um zu verhindern, dass durch die Niederschläge eine weitere Ausbreitung erfolgt.

Der Beklagte veranlasste daraufhin nach Rücksprache mit dem Kläger und dessen Versicherung die Sanierung des kontaminierten Bodens. Hierfür entstanden Kosten in Höhe von knapp 9.000,00 Euro, die der Landkreis dem Kläger gegenüber mit einem Kostenbescheid geltend machte.

Der Kläger erhob nach erfolgloser Durchführung eines Widerspruchsverfahrens Klage gegen den Kostenbescheid. Er ist der Ansicht, nicht er, sondern die Stadt Dahn müsse als Grundstückseigentümerin für die Bodensanierung aufkommen. Sie habe mit der Metallstange eine Gefahrenquelle geschaffen, für die sie verantwortlich sei. Zudem sei das Öl, als es in den Boden gelaufen sei, in das Eigentum der Stadt Dahn übergegangen, da es sich untrennbar mit deren Grundstück vermischt habe. Letztlich sei offen, ob die Erdarbeiten im Wasserschutzgebiet überhaupt erforderlich gewesen seien. Der Unfall habe sich auf regennassem Untergrund abgespielt. Bei wassergetränktem Untergrund sickere Öl nicht in die Gesteinsschichten, sondern „schwimme“ auf dem Wasser. Hier könne es mit Ölbindemittel gebunden werden.

Die 4. Kammer des Verwaltungsgerichts wies die Klage ab. Zur Begründung führte das Gericht aus, der Landkreis sei berechtigt gewesen, anstelle des Fahrzeughalters oder dessen Versicherung zu handeln, weil aufgrund des Ölunfalls eine akute Gefahr für Boden und Grundwasser bestanden habe, die unmittelbar zu beseitigen gewesen sei. Der Kläger sei als Verursacher dieser Gefahr im Sinne des Bundesbodenschutzgesetzes anzusehen, weil er an der Bodenkontamination – zumindest als Teilverantwortlicher – mitgewirkt habe. Mit dem Aufreißen der Ölwanne habe sich die Betriebsgefahr des Fahrzeugs verwirklicht, die in der Risikosphäre des Fahrzeughalters liege. Ob der Kläger in diesem Zusammenhang schuldhaft gehandelt habe, sei unbeachtlich. Denn auf ein etwaiges Verschulden oder eine subjektive Vorhersehbarkeit der Gefahr komme es im Bereich des Gefahrenabwehrrechts nicht an. Die Stadt Dahn als Grundstückeigentümerin müsse sich auch keine Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht vorwerfen lassen. Bei dem Vorplatz der Pfälzerwaldhütte handele es sich nicht um einen offiziellen Parkplatz, sodass der Kläger ihn hätte nicht befahren dürfen. Der offizielle Parkplatz liege nördlich der Hütte. Die Fläche, auf der das Öl ausgelaufen sei, sei von der Grundstückseigentümerin hingegen gerade nicht als Parkplatz ausgewiesen worden. Es bestehe auch keine Verpflichtung, ein Grundstück gegen unbefugten Verkehr zu sichern, sodass eine Sicherungspflicht hinsichtlich des Schirmständers nicht anzunehmen sei.

Gegen das Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung Antrag auf Zulassung der Berufung zum Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz eingelegt werden.

Quelle: VG Neustadt

BFH zur vGA – Versorgungszahlung und Geschäftsführergehalt

Säumniszuschläge

Widersprüchliche Urteile

Nicht nur der Gesetzgeber fordert den steuerlichen Berater, sondern zuweilen auch die Justiz. So etwa bei der Frage, ob Zuschläge bei einer Säumnis verfassungswidrig sind oder…

BFH zur Gewinnermittlung nach der Tonnage: Ausfall des Gesellschafterdarlehens oder der Forderung aus typisch stiller Beteiligung im Rahmen der Aufgabe des Betriebs der Mitunternehmerschaft von Abgeltungswirkung umfasst

Säumniszuschläge

Widersprüchliche Urteile

Nicht nur der Gesetzgeber fordert den steuerlichen Berater, sondern zuweilen auch die Justiz. So etwa bei der Frage, ob Zuschläge bei einer Säumnis verfassungswidrig sind oder…

BFH: Verdeckte Einlage durch Zuwendung eines Anspruchs auf bereits aufgelaufene Zinsen an Tochtergesellschaft

Säumniszuschläge

Widersprüchliche Urteile

Nicht nur der Gesetzgeber fordert den steuerlichen Berater, sondern zuweilen auch die Justiz. So etwa bei der Frage, ob Zuschläge bei einer Säumnis verfassungswidrig sind oder…

Internet zu langsam: Sonderkündigungsrecht bleibt bestehen

vzbv, Pressemitteilung vom 09.06.2023 zum Urteil des LG Köln 6 U 76/23 vom 04.05.2023

  • Ist das Internet langsamer als vereinbart, dürfen Kund:innen das Entgelt herabsetzen oder fristlos kündigen.
  • Laut Telekom-Schreiben an ihre Kund:innen sollte das Sonderkündigungsrecht nach einer Entgeltminderung entfallen.
  • Landgericht Köln: Das Unternehmen stellte die Rechtslage falsch und damit irreführend dar.

vzbv klagt erfolgreich gegen die Telekom Deutschland GmbH

Ist die Internetgeschwindigkeit langsamer als vereinbart, dürfen Anbieter nicht das Sonderkündigungsrecht ausschließen. Das gilt auch für Kund:innen, die das Entgelt wegen zu geringer Leistung mindern konnten. Ein Hinweis auf das angeblich entfallende Sonderkündigungsrecht in Schreiben der Telekom war irreführend und damit rechtswidrig, entschied das Landgericht Köln nach einer Unterlassungsklage des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv).

„Das Landgericht Köln hat klargestellt, dass Verbraucher:innen nach einer Preisreduzierung immer noch die Möglichkeit haben, bei anhaltend schlechten Leistungen fristlos zu kündigen“, sagt Jana Brockfeld, Rechtsreferentin beim vzbv. „Dieses Recht dürfen die Anbieter nicht ausschließen.“

Sonderkündigungsrecht sollte angeblich entfallen

Ein Kunde hatte sich bei der Telekom darüber beschwert, dass die Internetgeschwindigkeit seines Anschusses niedriger war als vereinbart und um eine Preisanpassung gebeten. Die Telekom hatte ihm daraufhin die Senkung des monatlichen Grundpreises bestätigt und mitgeteilt: „Mit der Minderung entfällt ein Sonderkündigungsrecht für den Vertrag.“ Demnach wären Verbraucher:innen auch dann noch an den Vertrag gebunden, wenn die Datenübertragungsrate dauerhaft hinter der versprochenen Leistung zurückbleibt.

Telekom-Schreiben war irreführend

Das Landgericht Köln schloss sich der Auffassung des vzbv an, dass die Aussage über das entfallende Sonderkündigungsrecht die Rechtslage falsch darstellt und damit irreführend ist. Ist die Internetgeschwindigkeit zu langsam, dürften Kunden nach dem Telekommunikationsgesetz das Vertragsentgelt mindern oder außerordentlich kündigen. Das Sonderkündigungsrecht stehe ihnen auch nach einer Minderung zu.

Das ergebe sich aus dem Zweck des Gesetzes, Verbraucher:innen in die Lage zu versetzen, sich besser gegen Schlechtleistungen ihres Internetanbieters zur Wehr zu setzen. Eine verringerte Datenübertragungsrate werde aufgrund einer Preisminderung nicht zur vertragsgemäßen Leistung.

Die Angabe der Telekom über den Wegfall des Sonderkündigungsrechts stelle dagegen keine überprüfbare Vertragsbedingung dar, so das Landgericht. In diesem Punkt unterlag der vzbv in dem Klageverfahren. Beide Parteien haben gegen das Urteil Berufung beim OLG Köln (6 U 76/23) eingelegt.

Die Klage wurde nach einem Hinweis des Teams Marktbeobachtung Digitales des vzbv eingereicht.

Quelle: vzbv

Insolvenz in Eigenverwaltung als Sanierungschance im Insolvenzverfahren

Die Zahl der Firmeninsolvenzen steigt. 2022 wurden 10.432 Insolvenzverfahren eröffnet, fünf Prozent mehr als im Vorjahr. Doch nicht alle Unternehmen verschwanden vom Markt, denn das Insolvenzrecht eröffnet im Insolvenzfahren die Chance auf Sanierung. Mitunter sogar zur Insolvenz in Eigenverwaltung, bei der die Geschäftsleitung weiter amtiert. Das Insolvenzrecht erlaubt es zahlungsunfähigen oder überschuldeten Firmen, im Insolvenzverfahren nachteilige Verträge vorzeitig aufzulösen sowie leichter Personal abzubauen. Außerdem finanziert die Arbeitsagentur die Löhne und Gehälter der Beschäftigten für bis zu drei Monate vor, indem sie Insolvenzgeld zahlt. Das gibt Betrieben die zur Sanierung benötigte Liquidität. Aber die Gerichte lehnten auch knapp 4.200 Insolvenzverfahren mangels Masse ab. Hier reichten Rücklagen, Betriebsvermögen, Kreditlinien sowie ausstehende Forderungen nicht zur Deckung der Verfahrenskosten. Um ihre Sanierungschancen zu wahren, müssen Unternehmen frühzeitig den Insolvenzantrag stellen und dürfen keine Geschäftspartner verlieren. Diese liefern häufiger weiter, seitdem die Insolvenzanfechtung schwieriger geworden ist. Vor der Insolvenz erhaltene Zahlungen müssen sie seltener zurückzahlen.

Dro­hen­de Plei­te: Das In­sol­venz­ver­fahren im In­sol­venz­recht

Das Insolvenzrecht – genau genommen die Insolvenzordnung (InsO) – legt fest, wann Unternehmerinnen oder Unternehmer beim zuständigen Amtsgericht die Insolvenz anmelden müssen. Sie beantragen die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, weil ihre Firma

  • zahlungsunfähig ist oder
  • liquide Mittel und Kreditlinien auch in absehbarer Zeit nicht reichen werden, um Rechnungen und Gehälter zu bezahlen, dem Betrieb also die Zahlungsunfähigkeit droht.

Kapitalgesellschaften, GmbH & Co. KG oder Genossenschaften sind laut Insolvenzrecht sogar verpflichtet, solch einen Antrag zu stellen. Geschäftsleitungsmitglieder haften sonst persönlich. Ist das Unternehmen zahlungsunfähig oder so überschuldet, dass eine Fortführung – über zwölf Monate beziehungsweise bis Jahresende vier Monate – unwahrscheinlich erscheint, müssen sie das Insolvenzverfahren beantragen. Betroffene sollten spezialisierte Rechtsanwalts- oder Steuerberatungskanzleien einschalten, denn es sind Fristen einzuhalten und umfangreiche Unterlagen einzureichen. Wer eine Sanierung beziehungsweise Insolvenz in Eigenverwaltung anstrebt, sollte sich besonders gut vorbereiten. Neben dem Verzeichnis der Gläubigerinnen und Gläubiger mit ihren Forderungen sowie den Geschäftszahlen gehört dazu bestenfalls gleich ein Sanierungskonzept. Sind die Verfahrenskosten gedeckt, eröffnet das Gericht das Insolvenzverfahren. Dann entscheidet die Gläubigerversammlung über eine mögliche Insolvenz in Eigenverwaltung. Das Insolvenzrecht ist in diesem Punkt eindeutig: Das Insolvenzverfahren soll Anspruchsberechtigte bestmöglich sowie gleichmäßig befriedigen. Nur wenn die Sanierung eine höhere Quote verspricht als ein Firmenverkauf oder die Liquidierung des Betriebsvermögens, ist eine Insolvenz in Eigenverwaltung mehrheitsfähig. 

Vor­läu­fi­ges In­sol­venz­ver­fahren: Sa­nie­rung oder Zer­schla­gung?

Ob ein Insolvenzverfahren eröffnet wird, entscheidet meistens das Amtsgericht am Firmensitz des betreffenden Unternehmens. Das Insolvenzrecht sieht vor, dass bis zu diesem Zeitpunkt ein bestellter vorläufiger Insolvenzverwalter die Geschäfte weiterführt. Er prüft die Vermögensverhältnisse und stellt sicher, dass keine Zahlung aus der Insolvenzmasse erfolgt. Gerichtsvollzieher können nicht mehr vollstrecken. In diesem vorläufigen Insolvenzverfahren entscheidet sich, ob der Betrieb sanierungsfähig ist – möglicherweise als Insolvenz in Eigenverwaltung – oder nur die Zerschlagung bleibt. Deckt das Firmenvermögen nicht die Kosten des Insolvenzverfahrens, lehnt das zuständige Gericht den Antrag mangels Masse ab. Wurden vorher Zahlungen an Geschäftspartner geleistet oder Vermögenswerte an Verwandte übertragen, können bestellte Verwalter die Gelder nach geltendem Insolvenzrecht zurückfordern. Solche Transaktionen mindern nämlich die zu verteilende Insolvenzmasse, die allen Gläubigerinnen und Gläubigern gleichermaßen zusteht. Wenn Zahlungen, Zwangsvollstreckungen, Vermögensverschiebungen oder Bestellungen von Sicherheiten vor dem Insolvenzverfahren stattgefunden haben, gelingt eine solche Insolvenzanfechtung oft. In der Regel entscheiden Gerichte, ob die Insolvenzanfechtung rechtens ist.

Wel­che Sa­nie­rungs­chan­cen be­stehen im In­sol­venz­ver­fah­ren?

Für Unternehmen bedeutet ein Insolvenzverfahren nicht automatisch das Aus. Selbst kleine Selbstständige und Freiberuflerinnen haben die Chance zur finanziellen Sanierung und können weiterhin auf eigene Rechnung tätig sein. Das Insolvenzrecht sieht vor, dass sie zusammen mit dem Eröffnungsantrag für das Insolvenzverfahren eine Restschuldbefreiung beantragen können. Umfasst das Insolvenzverfahren sowohl das Privat- als auch das Geschäftsvermögen, sind Betroffene nach einer Phase des Wohlverhaltens wieder schuldenfrei. Diese Möglichkeit steht jedoch nur natürlichen Personen offen. Mittelständische Unternehmen in Form einer juristischen Person lassen sich bei ausreichenden finanziellen Aussichten dafür sanieren, teilweise als Insolvenz in Eigenverwaltung. Das Insolvenzrecht sieht folgende Möglichkeiten vor:

  • Übertragende Sanierung. Ein Käufer oder eine Käuferin erwirbt das Unternehmen samt Betriebsvermögen aus der Insolvenzmasse und führt die Geschäfte fort. Gläubigerinnen und Gläubiger erhalten einen prozentualen Anteil vom Kaufpreis. Die Schulden sind jedoch vorher gegenzurechnen, denn sie gehen nicht an den neuen Firmeneigner über. Dieser führt aber oft die Arbeitsverhältnisse fort. Es findet ein sogenannter Betriebsübergang statt. 
  • Insolvenzplanverfahren. Stimmt die Mehrheit der Gläubigerversammlung einem Insolvenzplan zu, besteht laut Insolvenzrecht die Chance, das Unternehmen zu erhalten und zu sanieren. Damit dies gelingt, müssen alle Gläubigerinnen und Gläubiger auf Forderungen verzichten. Das tun sie aber nur, wenn die Sanierung künftig höhere Erträge verspricht als der Verkauf oder die Zerschlagung. Dann bleibt das Schuldnerunternehmen als Rechtsträger erhalten. Die Geschäftsführung übernimmt oft ein Insolvenzverwalter. Nur bei der Insolvenz in Eigenverwaltung bleibt die bisherige Firmenleitung im Amt.

Damit eine übertragene Sanierung oder Insolvenz in Eigenverwaltung gelingt, müssen die Geschäftspartner dem Unternehmen die Treue halten. Zum Teil unterstützen sie außerdem den Sanierungskurs durch Stundungen oder die Vereinbarung von Ratenzahlungen. Wer dagegen von den Zahlungsschwierigkeiten wusste und eigene Außenstände vor dem Insolvenzverfahren eingetrieben hat – etwa per gerichtlichem Mahnverfahren oder Inkasso – muss nach dem Insolvenzrecht mit einer Insolvenzanfechtung rechnen. 

In­sol­venz­recht: Wann ist die In­sol­venz in Ei­gen­ver­wal­tung mög­lich?

Im Regelfall übernimmt im Insolvenzverfahren ein vom Gericht bestellter Insolvenzverwalter oder eine Insolvenzverwalterin das Ruder. Das Insolvenzrecht sieht vor, dass diese Vertretung die Geschäfte vorerst weiterführt sowie über Zahlungen und Vermögen wacht. Eine Sanierung oder Insolvenz in Eigenverwaltung kommt dagegen ohne Insolvenzverwalter aus. Die Geschäftsführung bleibt im Amt und setzt die im Insolvenzplan vorgesehenen Sanierungsmaßnahmen um. Sie kann auch im laufenden Insolvenzverfahren weiter über das Firmenvermögen verfügen. Laut Insolvenzrecht muss allerdings ein sogenannter Sachwalter kontrollieren, dass alles mit rechten Dingen zugeht und das Unternehmen auf Kurs bleibt. Idealerweise arbeiten Firmenleitung und Sanierungsfachleute nicht nur Hand in Hand, sondern beziehen auch noch die Steuerberatungskanzlei mit ein. Ohne das Einverständnis der Gläubigerinnen und Gläubiger läuft aber nichts. Diese können schon vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Weichen für eine mögliche Insolvenz in Eigenverwaltung stellen, indem sie für die bis zu dreimonatige Interimszeit zwischen Antragstellung und dem Beginn des Insolvenzverfahrens einem Schutzschirmverfahren zustimmen.

Schutz­schirm­ver­fah­ren und In­sol­venz in Ei­gen­ver­wal­tung be­an­tra­gen

Um die Sanierungschancen zu erhöhen, spannt das Insolvenzrecht über Unternehmen in Zahlungsschwierigkeiten und überschuldete Firmen einen Schutzschirm. Unternehmerinnen und Unternehmer können zusammen mit auf Insolvenzen spezialisierten Fachleuten sowie ihrer Steuerberatungskanzlei einen Sanierungsplan erarbeiten – ohne Angst vor Zwangsvollstreckungen. Sie bereiten schon vor dem eigentlichen Insolvenzverfahren unter Aufsicht des Sachwalters die Insolvenz in Eigenverwaltung vor. Vorausgesetzt natürlich, das Gericht sowie der vorläufige Gläubigerausschuss stimmen dem zu. Dafür braucht es allerdings Vertrauen in die Fähigkeiten der Geschäftsleitung. Verantwortliche sollten deshalb frühzeitig die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beantragen – und nicht erst, wenn die Kassen leer sind. Voreilige Zahlungen an einzelne Geschäftspartner oder Verwandte sind unbedingt zu vermeiden, weil sonst eine Insolvenzanfechtung droht. Nur wenn gute Sanierungschancen bestehen und Gläubigerinnen oder Gläubigern keine Nachteile drohen, genehmigt das Gericht die darauffolgende Insolvenz in Eigenverwaltung. Zusammen mit dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens müssen Betroffene dafür gemäß Insolvenzrecht unter anderem folgende Unterlagen einreichen:

  • Verzeichnis der Gläubiger und ihrer Forderungen – die höchsten und die am höchsten gesicherten Forderungen sind ebenso einzeln aufzuführen wie Forderungen des Fiskus, der Sozialversicherungsträger sowie aus der betrieblichen Altersversorgung
  • Vermögensverzeichnis
  • Schuldnerverzeichnis
  • Angaben zum Unternehmen, zu den Geschäftszahlen, zur Anzahl der Beschäftigten und zur geplanten Fortführung des Geschäftsbetriebs.
  • Finanzplan
  • Konzept zur Durchführung des Insolvenzverfahrens mit Sanierungsplan inklusive konkreten Maßnahmen, Krisenursachen, Zielen der Insolvenz in Eigenverwaltung.

Wel­che Vor­tei­le hat ei­ne Sa­nie­rung im In­sol­venz­ver­fahren?

Eine Sanierung unter dem Schutzschirm mit anschließender Insolvenz in Eigenverwaltung hat viele Vorteile. Denn das Insolvenzrecht verfügt über einen gut gefüllten Werkzeugkasten mit Sanierungsinstrumenten, die nur im Insolvenzverfahren greifen. Meldet ein Betrieb nämlich Insolvenz an, können Beschäftigte Insolvenzgeld bei der Agentur für Arbeit beantragen. Die Arbeitsagentur finanziert für bis zu drei Monate die Gehälter vor, was Unternehmen finanziell entlastet. Es werden Mittel zur Sanierung frei. Im Insolvenzverfahren lassen sich nachteilige Verträge – mit Kunden oder Lieferanten, aber ebenso Miet- und Pachtverträge – vorzeitig auflösen. Bei einer Insolvenz in Eigenverwaltung ist zudem ein notwendiger Personalabbau einfacher umsetzbar. Das Insolvenzrecht verkürzt die maximale Kündigungsfrist auf drei Monate und deckelt das Sozialplanvolumen. Vor dem Insolvenzverfahren unter Druck geleistete Zahlungen lassen sich per Insolvenzanfechtung zurückholen. Solange das Verfahren läuft, sind Unternehmen vor dem Zugriff der Gläubigerinnen und Gläubiger geschützt. Für den Erfolg einer Insolvenz in Eigenverwaltung braucht es jedoch eine enge Abstimmung mit Sanierungs- und Steuerfachleuten.

FOLGE #41 INSOLVENZ: GEWAPPNET GEGEN DAS SCHEITERN

Wann Unternehmen Insolvenz anmelden müssen, ist für jede Geschäftsführung ein zentrales Thema, besonders für Kapitalgesellschaften und GmbH & Co. Denn für sie gilt eine Insolvenzantragspflicht. In der Corona-Pandemie wurde diese vorübergehend ausgesetzt, um Insolvenzen zu verhindern. Wie man Warnsignale rechtzeitig erkennt und deutet und was wichtig ist, um die Krise zu überwinden – darum geht es in der Folge 41 # Insolvenz: Gewappnet gegen das Scheitern in Hörbar steuern – der DATEV-Podcast.

Gläu­bi­ger­ver­samm­lung be­stimmt den Kurs im In­sol­venz­ver­fahren

Um Missverständnisse auszuschließen: Eine Sanierung beziehungsweise Insolvenz in Eigenverwaltung ist kein Selbstzweck. Zwar sieht das Insolvenzrecht vor, dass bei diesem Insolvenzverfahren die bisherige Geschäftsführung weiter amtiert. Die Branchenkenntnisse des Chefs oder der Chefin sind meistens wichtig, um den Turnaround zu schaffen. Er oder sie setzt – unter Aufsicht des Sachwalters – das Sanierungskonzept um. Doch der Insolvenzplan sowie die Insolvenz in Eigenverwaltung selbst muss von der Mehrheit der Gläubigerinnen und Gläubiger abgesegnet sein. Zwar ist nicht die Zustimmung aller erforderlich – aber die Gläubigerversammlung kann sowohl auf die Wahl des Insolvenzverfahrens als auch dessen Ablauf maßgeblich Einfluss nehmen. Läuft dann die Insolvenz in Eigenverwaltung nicht nach Plan, lässt sie sich gemäß Insolvenzrecht wieder aufheben. So wäre auch der Verkauf von Wirtschaftsgütern oder des Gesamtbetriebs möglich. Da das gewählte Insolvenzverfahren dem Gläubigerschutz dient, muss die Fortführung und Sanierung höhere Erträge versprechen als eine Zerschlagung des Unternehmens. Die Gläubigerversammlung entscheidet daher mit über die

  • Bestellung des Sachwalters,
  • Beauftragung von Gutachtern, um das Betriebsvermögen zu bewerten,
  • Bestellung einer Kassenprüferin sowie
  • Beauftragung weiterer Sanierungsexperten, sofern erforderlich.

In­sol­venz in Ei­gen­ver­wal­tung ge­lingt nur mit Sa­nie­rungs­ex­per­ten

Gläubigerinnen und Gläubiger verzichten meistens auf Forderungen, um die Restrukturierung des Schuldnerunternehmens zu ermöglichen. Deshalb sind sie regelmäßig über den Stand des Insolvenzverfahrens, die Fortschritte sowie mögliche Probleme zu informieren. Sie kontrollieren sowohl den Sachwalter als auch den Schuldner, der die Insolvenz in Eigenverwaltung umsetzen soll. Der eingesetzte Restrukturierungsexperte hat dafür zu sorgen, dass das Unternehmen auf Sanierungskurs bleibt. Er kann deshalb verlangen, dass die Kassenführung sowie sämtliche Ein- und Auszahlungen über ihn laufen. Um die Kapitalausstattung zu verbessern, lassen sich auch Investoren als neue Gesellschafter und Gesellschafterinnen an Bord holen. Entscheidend für das Gelingen einer Sanierung beziehungsweise Insolvenz in Eigenverwaltung ist die enge Abstimmung zwischen Geschäftsleitung, Sachwalter und Steuerberatungskanzlei – insbesondere, wenn Steuerverbindlichkeiten bestehen. Der Ausgang des Insolvenzverfahrens ist allerdings völlig offen. Gelingt die Sanierung nicht, muss der Betrieb doch abgewickelt werden.

Ge­än­der­te Recht­sprech­ung er­schwert In­sol­venz­an­fech­tung

Ein Insolvenzverfahren – gerade die Insolvenz in Eigenverwaltung – gelingt nur, wenn sich die finanzielle Schieflage beheben lässt. Firmenleitungen müssen daher früh auf Warnsignale reagieren. Zahlungen sollten sie nur nach Rücksprache mit Steuerfachleuten leisten. Sonst könnte laut Insolvenzrecht eine Insolvenzanfechtung drohen. Die Sachwalterin oder der Insolvenzverwalter holt sich dann die Gelder von Geschäftspartnern zurück, obwohl die vereinbarte Leistung erbracht wurde. Das vergrößert die Insolvenzmasse, kann aber die Insolvenz in Eigenverwaltung gefährden. Geschäftspartner stellen dann eventuell Lieferungen ein oder stimmen dem Insolvenzverfahren in der Gläubigerversammlung nicht zu. Eine Insolvenzanfechtung ist nach Urteilen des Bundesfinanzhofs (BFH) jetzt zwar schwieriger gerichtlich durchzusetzen, weil Gläubigern und Gläubigerinnen nachzuweisen ist, dass sie die drohende Zahlungsunfähigkeit kannten. Ein schleppendes Zahlungsverhalten des später insolventen Betriebs allein reicht dafür nicht aus. Trotzdem ist Vorsicht geboten: Denn eine Insolvenzanfechtung kann sich laut §130-138 InsO auf Zahlungen von bis zu vier beziehungsweise zehn Jahren vor dem Insolvenzverfahren erstrecken – auch auf zurückgezahlte Gesellschafterdarlehen.

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Kein Anspruch auf Kostenerstattung für Repatriierungsflug wegen COVID gegen das Luftfahrtunternehmen

EuGH, Pressemitteilung vom 08.06.2023 zum Urteil C-49/22 vom 08.06.2023

COVID-19-Pandemie: Ein im Zusammenhang mit einer konsularischen Unterstützungsmaßnahme organisierter Repatriierungsflug stellt keine anderweitige Beförderung dar, die das ausführende Luftfahrtunternehmen den Fluggästen eines annullierten Fluges anbieten muss.

Ein Fluggast, der sich selbst für diesen Repatriierungsflug registriert und einen verpflichtenden Unkostenbeitrag an den Staat leistet, der diesen Flug organisiert hat, hat nach dem Unionsrecht keinen Anspruch auf Erstattung dieser Kosten gegen das Luftfahrtunternehmen, das den ursprünglich vorgesehenen Flug hätte durchführen sollen.

Quelle: EuGH

EuGH zum Recht auf Rücktritt ohne Zahlung einer Rücktrittsgebühr bei Pauschalreisen

EuGH, Pressemitteilung vom 08.06.2023 zum Urteil C-407/21und C-540/21 vom 08.06.2023

Pauschalreisen und Covid-19-Pandemie: Eine nationale Regelung, nach der die Reiseveranstalter vorübergehend von ihrer Verpflichtung befreit sind, im Fall des Rücktritts alle Zahlungen voll zu erstatten, ist nicht mit dem Unionsrecht vereinbar.

Dass er seinen Verpflichtungen aus dem Unionsrecht nicht nachkommt, kann ein Mitgliedstaat, sofern kein Fall höherer Gewalt vorliegt, nicht mit der Befürchtung rechtfertigen, dass es zu internen Schwierigkeiten kommen könne.

Quelle: EuGH

Formulierungshilfe für Anpassungen und Erleichterungen in den Energiepreisbremsengesetzen im Kabinett beschlossen

BMWK, Pressemitteilung vom 07.06.2023

Das Bundeskabinett hat am 07.06.2023 eine Formulierungshilfe für einen Änderungsantrag der Fraktionen zu dem Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Erdgas-Wärme-Preisbremsengesetzes, zur Änderung des Strompreisbremsegesetzes (Energiepreisbremsengesetze) und weiterer energiewirtschaftlicher und sozialrechtlicher Gesetze beschlossen. In die Formulierungshilfe wurden eine Reihe von Änderungen im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), im Energiefinanzierungsgesetz (EnFG) und im Windenergieflächenbedarfsgesetz (WindBG) aufgenommen. Die eilbedürftigen Regelungen haben einen Bezug zur Energiekrise und dienen der Verfahrensvereinfachung oder -beschleunigung.

Die Anpassungen im Einzelnen:

Energiepreisbremsengesetze
Bei den ergänzenden Änderungen zu den Energiepreisbremsengesetzen handelt es sich vor allem um technische und klarstellende Anpassungen, unter anderem eine Anpassung des Kontrollregimes der Preisbremsen aufgrund EU-beihilferechtlicher Besonderheiten bei Schienenbahnen. Desweitern – für Letztverbraucher, die von Corona-Schutzmaßnahmen oder der Ahrtalflut betroffen waren und im Referenzjahr 2021 daher einen sehr niedrigen Stromverbrauch hatten, wird der Verweis auf die entsprechenden beihilferechtlichen Obergrenzen für landwirtschaftliche Unternehmen, Fischerei und Aquakultursektor angepasst, um hier für mehr Klarheit in der Rechtsanwendung zu sorgen.

Verlängerung EnSiG 3.0 Regelung bei Biogas (Erneuerbare-Energien-Gesetz – EEG)
Auch im kommenden Winter ist für Biogas vorgesehen, dass die Einspeisevergütung oder Marktprämie für die gesamte Bemessungsleistung der Anlage gezahlt wird. Außerdem entfällt die Bonuszahlung für die Verwendung nachwachsender Rohstoffe („Güllebonus“) nicht, wenn der Mindestanteil von Gülle unterschritten wird.

Die Regelungen dient dazu, die Erdgasverstromung zu verringern. Sie dienen der Vorsorge für den Winter 2023/24 und schaffen Rechtssicherheit für Betreiber von Biogasanlagen. Sie bedürfen der beihilferechtlichen Genehmigung durch die Europäische Kommission.

Rückgabemöglichkeit für Zuschläge Wind-an-Land aus 2021/2022 (Erneuerbare-Energien-Gesetz – EEG)
Aus den Ausschreibungsrunden 21/22 für Windenergieanlagen an Land wurden bislang zugeschlagene Projekte im Umfang von insgesamt rund 5 GW noch nicht realisiert. Zentraler Grund hierfür sind die außergewöhnlich stark gestiegenen Kosten. Diese Kostensteigerungen waren zum Zeitpunkt der Gebotsabgabe noch nicht vorhersehbar.

Die Bundesnetzagentur hat im Dezember letzten Jahres die Förderbedingungen in den Ausschreibungsrunden ab dem Jahr 2023 verbessert. Die bereits in den Jahren 2021/2022 bezuschlagten Projekte können hiervon nicht profitieren. Es besteht das Risiko, dass diese Projekte aufgrund erheblicher Kostensteigerungen nicht realisiert werden. Um die Verzögerungen zu begrenzen, soll eine Möglichkeit geschaffen werden, Zuschläge aus den Jahren 2021/2022 früher zurückzugeben. Ziel ist es, dass diese Projekte sehr zügig wieder an Ausschreibungen teilnehmen können. Die Regelung dient der Beschleunigung des Ausbaus der Windenergie.

Klarstellung zum Netzanschluss von Photovoltaik-Anlagen (Erneuerbare- Energien-Gesetz (EEG))
Es wird klarstellt, dass vorübergehend Solaranlagen bis 50 Kilowatt installierter Leistung bei ausreichender Kapazität des bestehenden Netzanschlusses an das Netz angeschlossen werden können, wenn der Netzbetreiber auf ein Netzanschlussbegehren nicht innerhalb eines Monats reagiert. Hierzu wird die bestehende Regelung in § 8 Absatz 5 Satz 3 EEG auf Netzanschlussbegehren, die vor dem 01. Juli 2024 gestellt werden, entsprechend angewandt. Durch die Klarstellung soll Fragen der Branche hinsichtlich der Anwendbarkeit einer entsprechenden Vorschrift aus der EU-Notfall-Verordnung zum beschleunigten Ausbau erneuerbarer Energien begegnet werden.

Anpassungen bei Härtefallregelung für stromkostenintensive Unternehmen (Energiefinanzierungsgesetz – EnFG)
Der einschlägige § 67 EnFG soll so geändert werden, dass Unternehmen, die in den Jahren 2022 oder 2023 eine Umlagenbegrenzung, z. B. Offshore- oder KWKG-Umlage) erhalten und ihre individuelle Stromkostenintensität nachgewiesen haben, in der Phase des gestaffelten Auslaufens der Förderung ihre individuelle Stromkostenintensität nicht mehr nachweisen müssen. Die Gespräche mit der Europäischen Kommission hierzu laufen.

Umsetzung „Länderöffnungsklausel“ (Windenergieflächenbedarfsgesetz – WindBG)
In Folge des Beschlusses des Koalitionsausschusses vom 28. März 2023 zur kurzfristigen Bereitstellung zusätzlicher Flächen für die Windenergienutzung wird zur Umsetzung der sogenannten „Länderöffnungsklausel“ klargestellt, dass die Länder die Flächenbeitragswerte erhöhen können und den Ländern die Möglichkeit eingeräumt, die Stichtage nach dem WindBG vorzuziehen. Angeordnet wird, dass auch die Rechtsfolgen des Baugesetzbuchs an diese landesrechtlichen Vorgaben anknüpfen, soweit die Länder davon Gebrauch machen.

Die von der Bundesregierung beschlossenen Änderungen gehen ein in die laufenden parlamentarischen Beratungen der Anpassungsnovelle für die Energiepreisbremsen, die der Bundesrat voraussichtlich am 7. Juli 2023 abschließend behandeln wird. Damit können die Regelungen voraussichtlich noch im Juli 2023 in Kraft treten.

Quelle: BMWK