BGH bestätigt Wirksamkeit der Übergangsregelung für rentenferne Versicherte in der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes

BGH, Pressemitteilung vom 20.09.2023 zum Urteil IV ZR 120/22 vom 20.09.2023

Zusatzversorgung der Angestellten und Arbeiter im öffentlichen Dienst: Bundesgerichtshof bestätigt Wirksamkeit der im März 2018 erneut geänderten Startgutschriftenregelung der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) für rentenferne Versicherte

Der unter anderem für das Versicherungsvertragsrecht zuständige IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat mit heute verkündetem Urteil die Wirksamkeit der im März 2018 erneut geänderten Startgutschriftenregelung für rentenferne Versicherte der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) bestätigt.

Hintergrund

Die VBL hat die Aufgabe, Angestellten und Arbeitern der an ihr beteiligten Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes im Wege privatrechtlicher Versicherung eine zusätzliche Alters-, Erwerbsminderungs- und Hinterbliebenenversorgung zu gewähren. Mit Neufassung ihrer Satzung (VBLS) vom 22. November 2002 stellte die VBL ihr Zusatzversorgungssystem rückwirkend zum 31. Dezember 2001 (Umstellungsstichtag) von einem an der Beamtenversorgung orientierten Gesamtversorgungssystem auf ein auf dem Punktemodell beruhendes, beitragsorientiertes Betriebsrentensystem um.

Die neugefasste Satzung enthält – auf der Grundlage entsprechender tarifvertraglicher Vereinbarungen – Übergangsregelungen zum Erhalt von bis zur Systemumstellung erworbenen Rentenanwartschaften. Diese werden als so genannte Startgutschriften den Versorgungskonten der Versicherten gutgeschrieben. Dabei werden Versicherte, deren Versorgungsfall zum Umstellungsstichtag noch nicht eingetreten war, in rentennahe und rentenferne Versicherte unterschieden. Grundsätzlich ist rentenfern, wer am 1. Januar 2002 das 55. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte. Das betraf zum Umstellungsstichtag ca. 1,7 Mio. Versicherte.

Die Startgutschrift rentenferner Versicherter nach § 79 Abs. 1 VBLS i. V. m. § 18 Abs. 2 BetrAVG wird – vereinfacht dargestellt – in zwei Rechenschritten ermittelt: In einem ersten Rechenschritt wird die so genannte Voll-Leistung berechnet, die die vom Versicherten bei der VBL maximal erzielbare, fiktive Vollrente beschreibt. Dazu wird von der dem Versicherten zum Umstellungsstichtag fiktiv zustehenden Gesamtversorgung, der so genannten Höchstversorgung, dessen voraussichtliche Grundversorgung, d. h. seine gesetzliche Rente, in Abzug gebracht. In einem zweiten Schritt wird rentenfernen Versicherten als Startgutschrift zunächst für jedes Jahr ihrer Pflichtversicherung in der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes anteilig ein Prozentsatz (sog. Anteilssatz) dieser Voll-Leistung gutgeschrieben.

Der Anteilssatz betrug zunächst 2,25 %. Diese Übergangsregelung erklärte der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs mit Urteil vom 14. November 2007 (IV ZR 74/06) wegen eines Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG für unverbindlich und beanstandete insbesondere eine gleichheitswidrige Benachteiligung von Versicherten mit langen Ausbildungszeiten (dazu Pressemitteilung 173/2007). Daraufhin ergänzten die Tarifvertragsparteien und ihnen folgend die VBL die Startgutschriftenregelung um eine Vergleichsberechnung in § 79 Abs. 1a VBLS, die unter näher geregelten Voraussetzungen zu einer Erhöhung der bisherigen Startgutschriften rentenferner Versicherte führen konnte. Mit Urteil vom 9. März 2016 (IV ZR 9/15) entschied der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs, dass die solcherart geänderte Übergangsregelung weiterhin zu einer gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßenden Ungleichbehandlung führe und deshalb ebenfalls unverbindlich sei (dazu Pressemitteilung 53/2016).

Mit Änderungstarifvertrag von Juni 2017 einigten sich die Tarifvertragsparteien darauf, im Rahmen der Ermittlung der Startgutschrift den bisherigen Anteilssatz von 2,25 % durch einen variablen Anteilssatz zu ersetzen. Dieser beträgt, in Abhängigkeit von den Pflichtversicherungszeiten, die der jeweilige Versicherte bis zum Eintritt des 65. Lebensjahrs erreichen kann, zwischen 2,25 % und 2,5 %. Die VBL übernahm diese Neuregelung mit Wirkung zum März 2018 in § 79 Abs. 1 Satz 3 bis 8 ihrer Satzung.

Sachverhalt und bisheriger Prozessverlauf

Die hiesige Klägerin ist rentenferne Versicherte bei der beklagten VBL und bezieht von dieser seit August 2014 eine Versorgungsrente. Sie hält auch die nochmals geänderte Übergangsregelung für unwirksam und erstrebt eine nach dem vor der Systemumstellung geltenden Satzungsrecht ermittelte Rente, hilfsweise eine abweichende Berechnung ihrer Startgutschrift unter Berücksichtigung verschiedener ihr günstiger Berechnungsgrundlagen und äußerst hilfsweise die Feststellung der Unverbindlichkeit der ermittelten Startgutschrift. Ihre Klage ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das Berufungsgericht hat die nunmehrige Übergangsregelung für wirksam gehalten und insbesondere einen Verstoß der Startgutschriftenregelung gegen Art. 3 Abs. 1 GG sowie eine Diskriminierung rentenferner Versicherter wegen ihres Lebensalters und ihres Geschlechts verneint.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs

Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in einer Grundsatzentscheidung vom heutigen Tag die Revision der Klägerin gegen das Berufungsurteil zurückgewiesen. Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass die für rentenferne Versicherte getroffene Übergangsregelung wirksam ist. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine anderweitige Berechnung ihrer Startgutschrift.

Es begegnet keinen rechtlichen Bedenken, dass bei der Ermittlung der Startgutschrift für die Berechnung der Voll-Leistung die von der Höchstversorgung in Abzug zu bringende voraussichtliche gesetzliche Rente des Versicherten nicht individualisiert, sondern nach dem bei der Berechnung von Pensionsrückstellungen allgemein zulässigen Verfahren (dem sogenannten Näherungsverfahren) zu ermitteln ist.

Die Anwendung des Näherungsverfahrens verstößt namentlich nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz. Zwar kann sich die Anwendung des Näherungsverfahrens im Vergleich zu einer individualisierten Berechnung der fiktiven gesetzlichen Rente ungünstig auswirken. Die mit dieser Ungleichbehandlung im Einzelfall verbundenen Härten und Ungerechtigkeiten sind aber hinzunehmen. Insbesondere bei der Ordnung von Massenerscheinungen und der Regelung hochkomplizierter Materien, wie der Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst, können typisierende und generalisierende Regelungen zulässig sein. Ohne Rechtsfehler ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die ausschließliche Anwendung des Näherungsverfahrens die verfassungsmäßigen Grenzen einer zulässigen Typisierung und Standardisierung einhält.

Die Anwendung des Näherungsverfahrens bewirkt ferner keine unzulässige Benachteiligung wegen des Geschlechts. Insbesondere liegt keine unzulässige Benachteiligung weiblicher rentenferner Versicherter vor. Die Feststellungen des Berufungsgerichts zeigen, dass sich die Anwendung des Näherungsverfahrens nicht auf einen signifikant höheren Anteil der weiblichen Versicherten ungünstig auswirkt. Infolge von Lücken in der Erwerbsbiografie, etwa aufgrund von Kinderbetreuungszeiten, benachteiligte weibliche (und männliche) Versicherte werden zudem dadurch begünstigt, dass bei der Berechnung der Gesamtversorgung zu ihren Gunsten ebenfalls eine lückenlose Erwerbsbiografie unterstellt wird.

Aus Rechtsgründen ist ebenfalls nicht zu beanstanden, dass der Startgutschriftenermittlung nunmehr ein gleitender Anteilssatz von 2,25 % bis 2,5 % für jedes Jahr der Pflichtversicherung zugrunde liegt. Durch die Einführung des gleitenden Anteilssatzes können bei einem angenommenen Renteneintritt mit 65 Lebensjahren nunmehr – anders als noch nach der Vorgängerregelung – auch Versicherte mit einem Diensteintrittsalter zwischen 20 Jahren und sieben Monaten und 25 Jahren theoretisch eine Startgutschrift von 100 % der Voll-Leistung und damit die höchstmögliche Versorgung erreichen. Damit entfällt insbesondere die bisherige Benachteiligung von Versicherten mit längeren Ausbildungszeiten, die nach einem Studium oder einer Ausbildung außerhalb des öffentlichen Dienstes üblicherweise bis zum 25. Lebensjahr in den öffentlichen Dienst eintreten.

Es verstößt weder gegen den allgemeinen Gleichheitssatz noch bewirkt es eine unzulässige Benachteiligung wegen des Alters, dass Versicherten mit einem Eintrittsalter von mehr als 25 Jahren infolge der Deckelung des Anteilssatzes auf 2,5 % weiterhin die höchstmögliche Versorgung auch theoretisch nicht erreichen können. In Anbetracht eines typischen Erwerbslebens von mindestens 40 Jahren ist es nicht zu beanstanden, dass Versicherte die höchstmögliche Versorgung lediglich unter der Voraussetzung einer erreichbaren Pflichtversicherungszeit von mindestens 40 Jahren erzielen können. Dies gilt auch, soweit diese Versicherten keine Erhöhung der Startgutschrift nach § 79 Abs. 1a VBLS erhalten. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, wird die Regelung in § 79 Abs. 1a VBLS lediglich im Hinblick auf das schützenswerte Vertrauen derjenigen Versicherten aufrechterhalten, denen nach der bisherigen Vergleichsberechnung noch ein Zuschlag zusteht.

Der gleitende Anteilssatz bewirkt ferner keine neue unzulässige Ungleichbehandlung wegen des Alters der vor Vollendung des 25. Lebensjahres in den öffentlichen Dienst eingetretenen Versicherten. Zwar fällt für diese Versicherten der gleitende Anteilssatz – begrenzt auf mindestens 2,25 % – desto kleiner aus, je jünger sie in den öffentlichen Dienst eingetreten sind. Das bewirkt jedoch unter Berücksichtigung des weiten Gestaltungsspielraums der Tarifvertragsparteien keine unzulässige Diskriminierung wegen des Alters, sondern wahrt das der betrieblichen Altersversorgung im öffentlichen Dienst zugrundeliegende Prinzip, die Betriebstreue des Versicherten im öffentlichen Dienst zu honorieren.

Die Übergangsregelung für rentenferne Versicherte ist schließlich auch unter dem Gesichtspunkt der Verteilungsgerechtigkeit nicht zu beanstanden. Eine einseitige Belastung bestimmter Versichertengruppen wie bei der früheren Übergangsregelung liegt nicht mehr vor.

Hinweis zur Rechtslage

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 79 VBLS

(1) 1Die Anwartschaften der am 31. Dezember 2001 schon und am 1. Januar 2002 noch Pflichtversicherten berechnen sich nach § 18 Abs. 2 BetrAVG, soweit sich aus Absatz 2 nichts anderes ergibt. … 3Bei Anwendung von Satz 1 ist an Stelle des Faktors von 2,25 v. H. nach § 18 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 BetrAVG der Faktor zu berücksichtigen, der sich ergibt, indem 100 v. H. durch die Zeit in Jahren vom erstmaligen Beginn der Pflichtversicherung bis zum Ende des Monats, in dem das 65. Lebensjahr vollendet wird, geteilt werden. 4Die Zeit in Jahren wird aus der Summe der (Teil-)Monate berechnet. 5Ein Teilmonat wird ermittelt, indem die Pflichtversicherungszeit unabhängig von der tatsächlichen Anzahl der Tage des betreffenden Monats durch 30 dividiert wird. 6Die sich nach Satz 4 und 5 ergebenden Werte werden jeweils auf zwei Nachkomma-stellen gemeinüblich gerundet. 7Der sich nach Satz 3 durch die Division mit der Zeit in Jahren ergebende Faktor wird auf vier Nachkommastellen gemeinüblich gerundet. 8Der Faktor beträgt jedoch mindestens 2,25 v. H. und höchstens 2,5 v. H.

(1a) 1Bei Beschäftigten, deren Anwartschaft nach Absatz 1 (rentenferne Jahrgänge) berechnet wurde, wird auch ermittelt, welche Anwartschaft sich bei einer Berechnung nach § 18 Abs. 2 BetrAVG unter Berücksichtigung folgender Maßgaben ergeben würde:

1. 1Anstelle des Vomhundertsatzes nach § 18 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 BetrAVG wird ein Unverfallbarkeitsfaktor entsprechend § 2 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG errechnet. 2Dieser wird ermittelt aus dem Verhältnis der Pflichtversicherungszeit vom Beginn der Pflichtversicherung bis zum 31. Dezember 2001 zu der Zeit vom Beginn der Pflichtversicherung bis zum Ablauf des Monats, in dem das 65. Lebensjahr vollendet wird. 3Der sich danach ergebende Vomhundertsatz wird auf zwei Stellen nach dem Komma gemeinüblich gerundet und um 7,5 Prozentpunkte vermindert.

2. 1Ist der nach Nummer 1 Satz 3 ermittelte Vomhundertsatz höher als der ohne Anwendung des Absatzes 1 Satz 3 nach § 18 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 BetrAVG berechnete Vomhundertsatz, wird für die Voll-Leistung nach § 18 Abs. 2 BetrAVG ein individueller Brutto- und Nettoversorgungssatz nach § 41 Abs. 2 und 2b d. S. a. F. ermittelt. …

2Ist die unter Berücksichtigung der Maßgaben nach den Nummern 1 und 2 berechnete Anwartschaft höher als die Anwartschaft nach Absatz 1, wird der Unterschiedsbetrag zwischen diesen beiden Anwartschaften ermittelt und als Zuschlag zur Anwartschaft nach Absatz 1 berücksichtigt. …

§ 18 Betriebsrentengesetz (BetrAVG)

(2) Bei Eintritt des Versorgungsfalles vor dem 2. Januar 2002 erhalten die in Absatz 1 Nummer 1 und 2 bezeichneten Personen, deren Anwartschaft nach § 1b fortbesteht und deren Arbeitsverhältnis vor Eintritt des Versorgungsfalles geendet hat, von der Zusatzversorgungseinrichtung aus der Pflichtversicherung eine Zusatzrente nach folgenden Maßgaben:

1. 1Der monatliche Betrag der Zusatzrente beträgt für jedes Jahr der aufgrund des Arbeitsverhältnisses bestehenden Pflichtversicherung bei einer Zusatzversorgungseinrichtung 2,25 vom Hundert, höchstens jedoch 100 vom Hundert der Leistung, die bei dem höchstmöglichen Versorgungssatz zugestanden hätte (Voll-Leistung). …

Quelle: Bundesgerichtshof

Programmablaufpläne Lohnsteuerabzug 2024 – Entwurf

BMF, Entwurf IV C 5 – S-2361 / 19 / 10008 :010 vom 19.09.2023

Hiermit werden der Entwurf des Bekanntmachungsschreibens zu den Programmablaufplänen für den Lohnsteuerabzug 2024 und der Entwurf des Programmablaufplans für die maschinelle Lohnsteuerberechnung (Anlage) veröffentlicht.

Zum Programmablaufplan für die Erstellung von Lohnsteuertabellen für 2024 enthält das Bekanntmachungsschreiben eine gesonderte Übergangsregelung.

Es wird an dieser Stelle ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es sich um Entwürfe handelt, die rechtlich nicht verbindlich sind und noch Änderungen unterliegen können. Der verbindliche Programmablaufplan zur maschinellen Lohnsteuerberechnung für den Lohnsteuerabzug 2024 wird zu einem späteren Zeitpunkt bekannt gemacht.

Quelle: Bundesministerium der Finanzen

Hinweis der Redaktion

Der BMF-Entwurf beinhaltet u. a.:

Der Programmablaufplan berücksichtigt die Anpassungen des Einkommensteuertarifs, der Zahlenwerte in § 39b Absatz 2 Satz 7 EStG und des Kinderfreibetrags durch das beschlossenes Inflationsausgleichgesetz sowie die geplanten Beitragsbemessungsgrenzen für 2024. Es wird im Übrigen von einem Zusatzbeitrag in der gesetzlichen Krankenversicherung von 1,6 % ausgegangen.

Der Programmablaufplan berücksichtigt nicht die möglichen Änderungen durch das noch nicht abgeschlossene Gesetzgebungsverfahren zum Wachstumschancengesetz. Diesbezüglich wird Anfang 2024 – nach Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens – ein geänderter Programmablaufplan für die maschinelle Lohnsteuerberechnung mit weiteren Einzelheiten zur Korrektur des Lohnsteuerabzugs bekannt gemacht.

Erzeugerpreise August 2023: -12,6 % gegenüber August 2022

Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung vom 20.09.2023

Erzeugerpreise gewerblicher Produkte (Inlandsabsatz), August 2023
-12,6 % zum Vorjahresmonat
+0,3 % zum Vormonat

Die Erzeugerpreise gewerblicher Produkte waren im August 2023 um 12,6 % niedriger als im August 2022. Das war der stärkste Rückgang der Erzeugerpreise gegenüber einem Vorjahresmonat seit Beginn der Erhebung im Jahr 1949. Die Entwicklung ist insbesondere auf einen Basiseffekt aufgrund des sehr hohen Preisniveaus im Vorjahr zurückzuführen. So waren die Erzeugerpreise im August 2022 infolge des Kriegs in der Ukraine so stark gestiegen wie noch nie seit Beginn der Erhebung (+45,8 % gegenüber August 2021). Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) weiter mitteilt, hatte die Veränderungsrate gegenüber dem Vorjahresmonat im Juli 2023 noch bei -6,0 % gelegen. Gegenüber dem Juli 2023 stiegen die Erzeugerpreise im August 2023 um 0,3 %.

Hauptursächlich für den Rückgang der Erzeugerpreise gegenüber dem Vorjahresmonat waren die Preisrückgänge bei Energie, aber auch bei den Vorleistungsgütern. Die Preisanstiege bei den Konsum- und Investitionsgütern schwächten sich weiter ab.

Rückgang der Energiepreise gegenüber Vorjahresmonat vor allem bedingt durch die Preisrückgänge für Strom

Energie war im August 2023 um 31,9 % billiger als im Vorjahresmonat. Gegenüber Juli 2023 stiegen die Energiepreise jedoch um 1,6 %. Sie waren nach Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine im Februar 2022 stark gestiegen und erreichten im September 2022 ihren historischen Höchststand. Im August 2023 hatten die Preisrückgänge für Strom den höchsten Einfluss auf die Vorjahresveränderungsrate bei Energie. Die Preise für Strom fielen über alle Abnehmergruppen betrachtet gegenüber August 2022 um 43,2 %, während sie gegenüber Juli 2023 um 2,6 % stiegen.

Erdgas in der Verteilung kostete im August 2023 über alle Abnehmergruppen hinweg 32,4 % weniger als im August 2022. Gegenüber Juli 2023 stiegen die Erdgaspreise jedoch um 0,6 %.

Mineralölerzeugnisse waren im August 2023 um 8,7 % billiger als im August 2022, gegenüber Juli 2023 stiegen diese Preise allerdings um 5,9 %. Leichtes Heizöl kostete 24,0 % weniger als ein Jahr zuvor (+16,5 % gegenüber Juli 2023). Die Preise für Kraftstoffe sanken um 3,0 % (+5,9 % gegenüber Juli 2023).

Ohne Berücksichtigung von Energie waren die Erzeugerpreise im August 2023 um 1,2 % höher als im August 2022 und um 0,4 % niedriger als im Juli 2023.

Preisrückgänge bei Vorleistungsgütern vor allem durch Preissenkungen bei Metallen

Die Preise für Vorleistungsgüter waren im August 2023 um 4,1 % niedriger als ein Jahr zuvor. Gegenüber dem Vormonat sanken sie um 0,7 %.

Der Preisrückgang im Vorjahresvergleich wurde vor allem durch die Preisentwicklung für Metalle verursacht. Diese waren 10,8 % billiger als im August 2022. Gegenüber dem Vormonat sanken die Metallpreise um 1,3 %. Roheisen, Stahl und Ferrolegierungen kosteten 16,1 % weniger als im August 2022. Die Preise für Betonstahl in Stäben sanken im Vorjahresvergleich um 35,5 %.

Besonders stark sanken die Preise gegenüber August 2022 für Düngemittel und Stickstoffverbindungen (-40,8 %). Verpackungsmittel aus Holz waren 27,2 % billiger als im August 2022, Holz 23,4 % und Sekundärrohstoffe 20,4 %.

Hohe Preissteigerungen gegenüber August 2022 gab es dagegen bei Kalk und gebranntem Gips (+34,1 %), Transportbeton (+26,7 %), Zement (+26,3 %) und Hohlglas (+24,9 %). Baukies und natürliche Sande kosteten 16,8 % mehr.

Deutlicher Preisanstieg bei Verbrauchsgütern vor allem durch höhere Preise für Nahrungsmittel

Die Preise für Verbrauchsgüter waren im August 2023 um 6,9 % höher als im August 2022 und sanken gegenüber Juli 2023 um 0,3 %. Nahrungsmittel waren 7,6 % teurer als im Vorjahr. Besonders stark stiegen die Preise für Zucker (+87,2 % gegenüber August 2022). Verarbeitete Kartoffeln kosteten 32,3 % mehr als im August 2022, Schweinefleisch 24,7 %. Obst- und Gemüseerzeugnisse waren 17,8 % teurer als ein Jahr zuvor. Nur wenige Produkte waren im August 2023 billiger als im Vorjahresmonat. So kosteten nicht behandelte pflanzliche Öle 39,7 % weniger, die Preise für Butter sanken um 32,4 %. Flüssige Milch war 5,4 % billiger als im August 2022, Kaffee 5,3 %.

Gebrauchsgüter waren im August 2023 um 5,2 % teurer als ein Jahr zuvor, insbesondere bedingt durch die Preisentwicklung bei Möbeln (+5,5 % gegenüber August 2022) und Haushaltsgeräten (+5,7 % gegenüber August 2022). Gegenüber Juli 2023 blieben die Preise für Gebrauchsgüter unverändert.

Investitionsgüter waren 5,1 % teurer als im Vorjahresmonat, insbesondere verursacht durch die Preissteigerungen bei Maschinen (+6,4 % gegenüber August 2022) sowie bei Kraftwagen und Kraftwagenteilen (+4,1 % gegenüber August 2022). Gegenüber Juli 2023 blieben die Preise für Investitionsgüter unverändert.

Quelle: Statistisches Bundesamt

Steuervorbescheide (Tax rulings): Die Gesellschaften multinationaler Konzerne in Belgien gewährten Steuervergünstigungen stellen eine rechtswidrige Beihilferegelung dar

EuGH, Pressemitteilung vom 20.09.2023 zum Urteil T-131/16 vom 20.09.2023

Das Gericht bestätigt die Entscheidung der Europäischen Kommission, die 2016 angenommen hatte, dass die betreffende Steuerregelung gegen die Beihilfevorschriften der Europäischen Union verstoße.

Belgien wendet seit 2005 eine Steuerregelung an, nach der belgische Unternehmen, die multinationalen Konzernen angehören, wenn sie in Belgien Geschäftstätigkeiten konzentrieren, Arbeitsplätze schaffen oder Investitionen tätigen, von den belgischen Steuerbehörden einen Steuervorbescheid (tax ruling) erhalten können, nach dem sog. Gewinnüberschüsse, d. h. Gewinne, die die Gewinne übersteigen, die unter vergleichbaren Umständen von vergleichbaren eigenständigen Unternehmen erzielt worden wären, von der Körperschaftsteuer befreit sind.

Die Europäische Kommission stellte 2016 fest, dass dieses System der Steuerbefreiung eine rechtswidrige Beihilferegelung darstelle, die mit dem Binnenmarkt unvereinbar sei, und ordnete an, die gewährten Beihilfen von 55 Empfängern zurückzufordern.1

Dagegen erhoben Belgien und mehrere Beihilfeempfänger beim Gericht der Europäischen Union Klage. Dieses erklärte den Beschluss der Kommission am 14. Februar 2019 für nichtig.2 Das Urteil des Gerichts wurde jedoch am 16. September 2021 auf ein Rechtsmittel hin vom Gerichtshof aufgehoben.3 Der Gerichtshof stellte fest, dass die Kommission zu Recht festgestellt habe, dass eine Beihilferegelung vorliege. Der Gerichtshof verwies die Sache zur Entscheidung über die Einstufung der Beihilferegelung als staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 AEUV an das Gericht zurück.

Das Gericht hatte sich deshalb ein weiteres Mal mit dieser Rechtssache zu befassen. Mit seinem heutigen Urteil4 hat es entschieden, dass die Kommission 2016 zu Recht angenommen habe, dass die belgische Steuerregelung für Gewinnüberschüsse gegen die Beihilfevorschriften der Europäischen Union verstoße.

Das Gericht weist das Vorbringen Belgiens gegen den Beschluss der Kommission in vollem Umfang zurück, insbesondere auch, soweit es die Finanzierung der betreffenden Regelung aus staatlichen Mitteln und die behauptete Nichtberücksichtigung der in Belgien anwendbaren Steuerregeln betrifft.

Das Gericht stellt fest, dass die Kommission dargetan habe, dass den Empfängern mit der betreffenden Regelung eine Steuervergünstigung gewährt worden sei.

Das Gericht stellt weiter fest, dass die Kommission zu Recht angenommen habe, dass die Regelung insoweit selektiv sei, als mit ihr Wirtschaftsteilnehmer, die sich in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht in einer vergleichbaren Situation befänden, unterschiedlich behandelt würden. Gesellschaften, die einem multinationalen Konzern angehörten und in den Genuss der Befreiung der Gewinnüberschüsse von der Steuer gekommen seien, seien anders behandelt worden als andere in Belgien körperschafsteuerpflichte Gesellschaften, die nicht in den Genuss einer solchen Steuerbefreiung gekommen seien.

Das Gericht bestätigt auch die Feststellung der Kommission, dass die Regelung insoweit selektiv sei, als sie weder Gesellschaften, die sich dafür entschieden hätten, in Belgien keine Investitionen zu tätigen, keine Geschäftstätigkeiten zu konzentrieren und keine Arbeitsplätze zu schaffen, noch Gesellschaften, die einem kleinen Konzern angehörten, offenstehe.

Fußnoten

1 Beschluss (EU) 2016/1699 vom 11. Januar 2016 über die Beihilferegelung Belgiens SA.37667 (2015/C) (ex 2015/NN) (ABl. 2016, L 260, S. 61).
2 Vgl. Pressemitteilung Nr. 14/19.
3 Vgl. Pressemitteilung Nr. 158/21.
4 Das Gericht hat heute auch die 29 Klagen abgewiesen, die von Soudal, Magnetrol International, Puratos u. a., Capsugel Belgium, Atlas Copco, Siemens Industry Software, BASF Antwerpen, der Ansell Healthcare Europe, VF Europe, Esko-Graphics, Trane, Kinepolis Group, Belgacom International Carrier Services, Punch Powertrain, Zoetis Belgium, Luciad, Anheuser-Busch Inbev und Ampar, Ineos Aromatics, Victaulic Europe, Eval Europe, SJM Coordination Center, Vasco Group und Astra Sweets, Flir Systems Trading Belgium, ZF CV Systems Europe, Henkel Belgium, Mayekawa Europe, Celio International, Dow Silicones und Vinventions gegen den Beschluss der Europäischen Kommission erhoben worden waren.

HINWEIS: Gegen die Entscheidung des Präsidenten des Gerichts kann innerhalb von zwei Monaten nach ihrer Zustellung beim Präsidenten des Gerichtshofs ein auf Rechtsfragen beschränktes Rechtsmittel eingelegt werden.

HINWEIS: Die Nichtigkeitsklage zielt auf die Nichtigerklärung einer unionsrechtswidrigen Handlung der Unionsorgane ab. Sie kann bei dem Gerichtshof bzw. dem Gericht unter bestimmten Voraussetzungen von Mitgliedstaaten, Organen der Union oder natürlichen oder juristischen Personen erhoben werden. Ist die Klage begründet, wird die unionsrechtswidrige Handlung für nichtig erklärt. Entsteht dadurch eine Regelungslücke, hat das betreffende Organ diese zu schließen.

Quelle: EuGH

Umfang der erbschaftsteuerlichen Befreiung eines Familienheims

FG Niedersachsen, Mitteilung vom 20.09.2023 zum Urteil 3 K 14/23 vom 12.07.2023 (nrkr – BFH-Az.: II R 27/23)

Unter den Voraussetzungen von § 13 Abs. 1 Nr. 4c Erbschaftsteuergesetz ist der Übergang der selbstbewohnten Immobilie (das sog. Familienheim) von der Erbschaftsteuer befreit.

Mit Urteil vom 12. Juli 2023 (3 K 14/23) hat der 3. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts zum Umfang der Steuerbefreiung entschieden, dass nur die Grundfläche des mit dem Familienheim bebauten Flurstücks (oder bei größeren Flurstücken eine angemessene Zubehörfläche) nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c Erbschaftsteuergesetz von der Erbschaftsteuer befreit ist.

Im Streitfall hatte der Kläger durch Erbschaft sechs Flurstücke erworben. Fünf dieser Flurstücke waren nach § 890 Bürgerliches Gesetzbuch zusammengefasst als ein Grundstück im Grundbuch vereinigt.

Bei der Erbschaftsteuer erfolgt die Bewertung von Grundbesitz grundsätzlich durch das Finanzamt, in dessen Bezirk das entsprechende Grundstück liegt. Die so festgestellten Werte sind dann vom für die Erbschaftsteuer zuständigen Finanzamt als sog. Grundlagenbescheide in den Erbschaftsteuerbescheid zu übernehmen. Über die Steuerbefreiung für ein Familienheim wiederum entscheidet das für die Erbschaftsteuer zuständige Finanzamt. Im Streitfall gab es die Besonderheit, dass das für die Bewertung zuständige Finanzamt drei der fünf im Grundbuch vereinigten Flurstücke in einem Bescheid zusammengefasst und für diese einen Gesamtwert festgestellt hatte. In der Erläuterung des Bescheides hatte das Bewertungsfinanzamt ausgeführt, dass die Steuerbefreiung für das Familienheim ggf. nur für das eine Flurstück zu gewähren sei, auf dem das Haus steht. So sah es auch das für die Erbschaftsteuer zuständige Finanzamt. Es übernahm in den Erbschaftsteuerbescheid nicht den festgestellten Gesamtwert für die drei Flurstücke und gewährte hierfür die Steuerbefreiung. Stattdessen rechnete es aus dem Gesamtwert den Wert des mit dem Einfamilienhaus bebauten Flurstücks heraus und gewährte nur in dieser Höhe die Steuerbefreiung. Der Kläger begehrte hingegen die Steuerbefreiung für den gesamten vom Bewertungsfinanzamt festgestellten Grundbesitzwert (also für alle drei Flurstücke).

Das Finanzgericht hatte sich hier mit der Frage zu beschäftigen, nach welchen Kriterien das Familienheim zu bewerten ist. Der Bundesfinanzhof hat bereits mit Urteil vom 23. Februar 2021 (Az. II R 29/19) ausgeführt, dass ein Grundstück im Zusammenhang mit § 13 Abs. 1 Nr. 4c Erbschaftsteuergesetz entweder im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuches oder des Bewertungsgesetzes zu verstehen sei. Im Fall des Bundesfinanzhofs kam es auf eine Entscheidung zu dieser Frage jedoch nicht an, sodass diese offenblieb. Betrachtet man das Grundstück im zivilrechtlichen Sinne, so handelt es sich hierbei um einen vermessenen, im Liegenschaftskataster bezeichneten Teil der Erdoberfläche, der im Grundbuch als ein Grundstück eingetragen ist (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 14. Januar 2005 V ZR 139/04). Folgt man dem Bewertungsgesetz – auf das § 12 Abs. 3 Erbschaftsteuergesetz grundsätzlich zur Bewertung von Grundbesitz verweist -, so ist auf die wirtschaftliche Einheit im Sinne von § 2 Abs. 1 Bewertungsgesetz abzustellen. Die wirtschaftliche Einheit bestimmt sich nach der Verkehrsanschauung, wobei örtliche Gewohnheit, tatsächliche Übung, Zweckbestimmung und wirtschaftliche Zusammengehörigkeit der einzelnen Wirtschaftsgüter zu berücksichtigen sind (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 3 und 4 Bewertungsgesetz).

Vorliegend traf das Finanzgericht eine weder-noch-Entscheidung. Weder folgte es der zivilrechtlichen Sichtweise, da das mit dem Haus bebaute Flurstück nicht einzeln, sondern mit vier weiteren Flurstücken vereinigt im Grundbuch eingetragen war. Noch folgte das Gericht der vom Bewertungsfinanzamt vorgenommenen Grundstücksbewertung, die drei Flurstücke umfasste. Das Gericht vertrat vielmehr die Ansicht, dass das Erbschaftsteuerfinanzamt zu Recht nur das tatsächlich mit dem Familienheim bebaute Flurstück von der Steuer befreit hatte. Dies folge aus der primären Anknüpfung des Erbschaftsteuerrechts an das Zivilrecht. Zudem sei es verfassungsrechtlich geboten, die Befreiungsnorm restriktiv auszulegen. Deswegen könne für die Steuerbefreiung nicht auf die wirtschaftliche Einheit im Sinne des Bewertungsrechts abgestellt werden. Stattdessen sei die Befreiung auf eine vorhandene katastermäßig kleinere Grundstücksfläche (und sollte diese nicht gegeben sein, gegebenenfalls auf eine Teilfläche) zu begrenzen. Den Hintergrund der restriktiven Auslegung der Norm sah das Gericht in einer möglichen Doppelbegünstigung naher Familienmitglieder durch hohe Freibeträge einerseits und die Freistellung des Familienheims andererseits. Personen mit „großem“ Familienheim profitieren von der Befreiungsvorschrift nämlich in größerem Maße als z. B. Personen mit kleiner oder keiner Immobilie, weil die Freibeträge zusätzlich zur Steuerbefreiung des Familienheims gewährt werden.

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache hat das Finanzgericht die Revision zugelassen. Diese wurde vom unterlegenen Kläger auch bereits eingelegt und unter dem Aktenzeichen II R 27/23 geführt. Es bleibt daher abzuwarten, wie sich der Bundesfinanzhof zu dieser Frage positioniert.

Quelle: Finanzgericht Niedersachsen, Newsletter 10/2023

Die Steuerberaterplattform erhält den nächsten Use-Case

BStBK, Pressemitteilung vom 19.09.2023

Nachdem Anfang des Jahres die Steuerberaterplattform und mit ihr als erster Anwendungsfall das besondere elektronische Steuerberaterpostfach (beSt) an den Start gegangen ist, folgt heute der zweite Use-Case: Das OZG-Antragsportal der regionalen Steuerberaterkammern (StBKn).

20 Steuerberaterkammern, 16 Bundesländer und ein Antragsportal im Sinne des Onlinezugangsgesetzes (OZG) ergeben zusammen ein Novum. Denn erstmals werden die Verwaltungsdienstleistungen der StBKn in einem einheitlichen Antragsportal gebündelt und bieten damit ihren Mitgliedern einen zentralen Einstiegspunkt für die Kommunikation mit ihren Kammern an, anstelle von unterschiedlichen regionalen Anlaufstellen. Mit dem Portal setzen die Kammern den Leistungskatalog nach dem OZG vollständig um.

BStBK-Präsident Prof. Dr. Hartmut Schwab: „Damit ist ein wichtiger Schritt zur weiteren Digitalisierung unseres Berufsstandes und zum Einstieg in digitale Cloud-Lösungen getan. Das dieser Schritt gemeinsam im Zusammenschluss der Kammern aus einem föderalen System heraus gelungen ist, macht das Projekt aus meiner Sicht umso bedeutender. Damit sind die Steuerberaterkammern auch ein gutes Beispiel für andere selbstverwaltete Freie Berufe und deren Organisationen in Deutschland.“

Der Zugang zum Antragsportal erfolgt für die über 104.000 Steuerberater*innen über die Steuerberaterplattform, angehende Berufsträger*innen und sonstige Beschäftigte der Branche nutzen die Anmeldemöglichkeit über die BundID. Das Antragsportal bietet ab sofort zahlreiche Verwaltungsdienstleistungen auf digitaler Ebene an. Anträge, Befugnisse und Zulassungen können so künftig direkt über das Portal abgewickelt werden, ein deutlicher Zuwachs von mehr Effizienz und schnelleren Prozessen für alle Beteiligten.

Zum Antragsportal geht es hier: https://stbk-antragsportal.de/.

Quelle: Bundessteuerberaterkammer

Leasing im Mittelstand – kein Allrounder, aber ein Instrument mit Potenzial

KfW Research, Mitteilung vom 18.09.2023

Leasing ist ein im Mittelstand etabliertes Beschaffung­sinstrument. Dies zeigen erstmalig repräsentative Zahlen des KfW-Mittelstandspanels zur Leasing­nutzung von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU). Zuletzt hat mehr als jeder fünfte Mittelständler in Deutschland Leasing zur Anschaffung von Anlagegütern in Anspruch genommen.

Die Nutzung von Leasing im Mittelstand wird aber vor allem vom Pkw-Leasing dominiert. Rund 80 % der KMU, die in den Jahren 2021 oder 2022 Leasing­verträge abgeschlossen haben, taten dies, um Pkw anzuschaffen.

Auch ein direkter Vergleich zur klassischen Investition (Kauf) verdeutlicht die weiterhin nachrangige Bedeutung von Leasing bei der Beschaffung von Anlage­gütern. Nichtsdestotrotz hat Leasing das Potenzial einen wichtigen Beitrag bei der dualen Trans­formation der Wirtschaft zu leisten. Denn für Investitions­projekte in den Bereichen Digitalisierung und Klima­neutralität bietet sich Leasing als geeignete (Finanzierungs-)Alternative an.

Quelle: KfW

Wie Unternehmen das Metaverse für sich nutzen können

Bitkom, Pressemitteilung vom 19.09.2023

  • Bitkom veröffentlicht Vorschläge, um Deutschland führend beim Industrial Metaverse zu machen
  • Leitfaden zeigt konkrete Anwendungsfälle und Chancen des Industrial Metaverse für interessierte Unternehmen

Den Störfall bei der Produktion unter realen Bedingungen mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern durchspielen, die Umrüstung einer Maschine an ihrem digitalen Abbild vorab simulieren oder virtuelle Produkttests durchführen – all das sind Möglichkeiten, die das Metaverse für Unternehmen künftig bieten soll. Aus Sicht des Digitalverbands Bitkom ist dieses Industrial Metaverse ein zentraler Hebel, um wirtschaftlich in der Industrie führend zu bleiben, gesellschaftliche Probleme zu lösen und ökologisch und sozial nachhaltiger zu werden. Damit das gelingt, hat Bitkom einen Acht-Punkte-Plan für das Industrial Metaverse vorgestellt sowie einen Leitfaden veröffentlicht, der interessierten Unternehmen Anwendungsfelder des Industrial Metaverse, den ganz konkreten Nutzen für das eigene Unternehmen sowie die Potenziale für den Wirtschaftsstandort Deutschland näherbringen will. „Mit dem Industrial Metaverse kann an Deutschlands industrielle Stärken und Entwicklungen im Bereich Industrie 4.0 angeknüpft werden. Die Anwendungsfelder reichen jedoch über den Bereich der industriellen Produktion hinaus und betreffen beispielsweise auch Infrastrukturen, Energie- oder Verkehrssysteme“, sagt Dr. Sebastian Klöß, Metaverse-Experte beim Bitkom.

Damit Deutschland beim Industrial Metaverse bis 2030 führend wird, schlägt Bitkom in dem Acht-Punkte-Plan unter anderem eine eigene Industrial-Metaverse-Strategie der Bundesregierung vor, die zugleich in europäische und internationale Initiativen eingebunden ist. Zugleich müsse es Zurückhaltung bei neuen Regulierungsvorhaben geben, da sich das Industrial Metaverse in Deutschland ohnehin in stark regulierten Feldern entwickeln müsse, in denen etwa Arbeitsrecht und -schutz, Datenschutz oder auch das Zivil- und Handelsrecht bereits enge Grenzen setzen. Von besonderer Bedeutung sei zudem, eine Fragmentierung in isolierte, inkompatible Systeme zu vermeiden. Stattdessen sollte auf vorhandene internationale Technologien, Standards und Normen aufgebaut werden. Darüber hinaus wird empfohlen, das Metaverse und die damit zusammenhängenden Technologien wie Virtual und Augmented Reality in der Forschungsförderung stärker zu berücksichtigen und den Austausch mit Startups zu fördern. „Das Industrial Metaverse kann einen wichtigen Beitrag leisten, um dem Fachkräftemangel zu begegnen. Es werden räumliche Grenzen aufgehoben, sodass zum Beispiel auch Unternehmen in ländlichen Regionen auf einen riesigen Fachkräftepool zurückgreifen könnten“, so Klöß.

Im Leitfaden „Industrial Metaverse. Use Cases, Mehrwerte und Potenziale für den Wirtschaftsstandort Deutschland“ wird zunächst der Begriff „Industrial Metaverse“ und der Zusammenhang mit Industrie 4.0 oder Konzepten wie dem Digitalen Zwilling erläutert. Danach geht es um Beispiele für Anwendungsmöglichkeiten, etwa die virtuelle Planung ganzer Produktionsstätten, die Verfolgung von Produkten innerhalb der gesamten Lieferkette oder auch die zeit- und kostensparende und zugleich klimafreundliche Remote-Besichtigung von Immobilien. Daran schließen sich konkrete Use Cases an, bei denen das Industrial Metaverse bereits heute eine Rolle spielt, etwa beim Digitalen Zwilling des Schienennetzes der Deutschen Bahn, der Stadtplanungs-Plattform von Siemens oder den digitalen Werken des Autobauers BMW. Als Abschluss finden interessierte Unternehmen noch eine knappe Übersicht über technische Anforderungen und Standards, die es rund um das Industrial Metaverse zu beachten gilt.

Quelle: Bitkom

KfW-ifo-Mittelstandsbarometer: Durststrecke hält an

KfW/KfW Research, Pressemitteilung vom 19.09.2023

  • Vierte Geschäftsklimaeintrübung in Folge
  • Lageurteile mit kräftigem Minus, Erwartungen sinken nur noch leicht
  • Deutlichere Stimmungsverschlechterung in den Großunternehmen

Die schlechte Stimmung unter den kleinen und mittleren Unternehmen in Deutschland hält an, wie das aktuelle KfW-ifo-Mittelstandsbarometer zeigt: Ihr Geschäftsklima sinkt im August auf -18,7 Saldenpunkte (-2,9 Zähler) und damit auf den niedrigsten Wert seit den akuten Energiesorgen im Oktober letzten Jahres. Wie bereits im Juli geben die Geschäftslageurteile des Mittelstands stärker nach als die Geschäftserwartungen.

Die Lagebewertungen fallen deutlich um 4,5 Zähler auf -10,6 Saldenpunkte. Die Realwirtschaft spürt wohl zunehmend die geldpolitische Straffung, während der durch die Inflation ausgelöste Kosten- und Preisdruck langsam zurückgeht. Die Geschäftserwartungen sinken um 1,5 Zähler auf -26,3 Saldenpunkte.

Im August sind die Mittelständler aller Hauptwirtschaftsbereiche schlechter gestimmt als im Vormonat. Mit -0,3 Zählern am geringsten ist die Eintrübung des Geschäftsklimas im Einzelhandel, es steht nun bei -17,3 Saldenpunkten. Das Dienstleistungsklima verliert 6,4 Zähler auf -12,1 Saldenpunkte. Deutlich frostiger zeigt sich das Geschäftsklima im Verarbeitenden Gewerbe (-3,4 Zähler auf -24,8 Saldenpunkte), im Bau (-3,0 Zähler auf -24,6 Saldenpunkte) und im Großhandel (-1,3 Zähler auf -30,1 Saldenpunkte).

Bei den Großunternehmen kühlt die Stimmung, nachdem sie sich im Vormonat stabil gezeigt hatte, stark ab. Ihr Geschäftsklima verliert im August 3,5 Zähler und notiert jetzt bei – 29,1 Saldenpunkten, deutlich niedriger als im Mittelstand. Während die Lageurteile der Großunternehmen genauso stark nachgeben wie im Mittelstand (- 4,5 Zähler auf – 22,4 Saldenpunkte), fällt die Abwärtskorrektur der Erwartungen im August kräftiger aus (- 2,7 Zähler auf – 35,3 Saldenpunkte).

„Deutschland tritt nach der leichten technischen Rezession im zurückliegenden Winterhalbjahr und der Stagnation im Frühling konjunkturell nun schon seit geraumer Zeit auf der Stelle und auch die Durststrecke beim Geschäftsklima verlängert sich um einen weiteren Monat – dem vierten in Folge“, sagt Dr. Fritzi Köhler-Geib, Chefvolkswirtin der KfW.

„Aber es gibt Grund zu vorsichtiger Hoffnung: Die merklich steigenden Löhne, die angesichts des Fachkräftemangels wohl nahezu stabile Beschäftigung und die rückläufige Inflationsrate dürften künftig dem Konsum neue Anreize liefern und gleichzeitig die Bremseffekte gestiegener Finanzierungskosten dämpfen. Für die Industrie bleibt die Situation dagegen weiter schwierig, obwohl dort noch immer ein kräftiges Auftragspolster vorhanden ist. Alles in allem wird sich die Wirtschaft wohl nur in Tippelschritten aus dem breiten Konjunkturtal herausarbeiten können. Nach dem ungünstigen Jahresstart gehe ich davon aus, dass das deutsche BIP trotz der für die kommenden Monate erwarteten konsumgetriebenen Stabilisierung im Gesamtjahr 2023 um 0,4 % sinken wird. Erst 2024 dürfte es wieder wachsen, der neuen Sommerprognose von KfW Research zufolge um moderate 0,8 %.“

Quelle: KfW

BFH zu Videoverhandlungen: Alle Richter müssen sichtbar sein

BRAK, Mitteilung vom 19.09.2023

Der Bundesfinanzhof hat festgestellt, dass das Recht auf den gesetzlichen Richter verletzt ist, wenn während überwiegender Teile der mündlichen Verhandlung nur der Vorsitzende Richter des Senats zu sehen ist.

Findet eine mündliche Verhandlung per Videokonferenz statt, so müssen die Kameraeinstellungen so gewählt werden, dass alle beteiligten Richter zu sehen sind. Ist das nicht der Fall, ist das Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt und verletzt das Recht der Beteiligten auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Dies hat jedenfalls der Bundesfinanzhof mit seinem Beschluss vom 30. Juni 2023 festgestellt (Az. V B 13/22).

Im zugrundeliegenden Verfahren fand die mündliche Verhandlung vor dem FG Münster per Videokonferenz statt. Dabei wurde nur eine einzelne Kamera eingesetzt, bei der für etwa zwei Drittel der Verhandlung nur der Vorsitzende Richter des Senats zu sehen gewesen ist, während die übrigen Richter – auch der jeweils aktuell sprechende Richter – nicht zu sehen waren.

Der Kläger legte nach erfolgloser Revisionseinlegung nun eine Nichtzulassungsbeschwerde beim BFH ein. Sein Argument: es sei nicht möglich gewesen, das Verhalten der Richter zu beobachten und so einer finalen rechtlichen Analyse zu unterziehen. Er sei daher in seinem Recht auf den gesetzlichen Richter verletzt.

Dem hat der BFH nun stattgegeben. Er stellte fest, dass hier das Gericht nicht vorschriftsgemäß besetzt war. Er führte aus, dass bei einer mündlichen Verhandlung per Videokonferenz für alle Beteiligten feststellbar sein müsse, ob die beteiligten Richter in der Lage seien, der Verhandlung in ihren wesentlichen Abschnitten zu folgen. Dazu müssten folglich alle Richter sichtbar sein. Dass dies nicht der Fall ist, wenn während eines Großteils der Verhandlung die Kamera nur auf den Vorsitzenden Richter gerichtet ist, liegt auf der Hand. Den absoluten Revisionsgrund der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung aus § 119 Nr. 1 FGO sah der BFH daher als gegeben an.

Gründe: Gesetzentwurf zur Förderung des Einsatzes von Videokonferenztechnik

Bemerkenswert ist, dass sich der BFH in seinen Gründen nicht nur auf vergangene Rechtsprechung und bestehende Gesetze beruft, sondern den Blick in die Zukunft richtet: das Gericht nimmt maßgeblich Bezug auf den Entwurf des Gesetzes zur Förderung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in der Zivilgerichtsbarkeit und den Fachgerichtsbarkeiten vom 26.05.2023. In dessen Gesetzesbegründung heißt es ausdrücklich, dass jeder Verfahrensbeteiligte und das Gericht die Möglichkeit haben muss, alle anderen Verfahrensbeteiligten und die Mitglieder des Gerichts zu jedem Zeitpunkt der Verhandlung sowohl visuell als auch akustisch wahrzunehmen (BR-Drucks 228/23, S. 49). Dies sieht der BFH offenbar als Bestätigung dafür, dass dieselben Maßstäbe schon jetzt bei der Frage angelegt werden müssen, ob ein in Videokonferenz verhandelndes Gericht vorschriftsmäßig besetzt war.

Kein disponibles Recht, keine Rügepräklusion

Übrigens tat es der Sache des Klägers keinen Abbruch, dass er diese Videoeinstellungen erst im Nichtzulassungsverfahren rügte: bei der vorschriftsmäßigen Besetzung des Gerichts handele es sich nach Ansicht des BFH um eine Garantie, deren Einhaltung im öffentlichen Interesse liege und deren Risiko nicht auf die Parteien abgewälzt werden dürfe. Sie sei nicht von den Parteien abdingbar, sodass eine Rügepräklusion nach § 295 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen gewesen sei.

Dies dürfte sicherlich nicht die letzte (höchstgerichtliche) Entscheidung zum Themenschwerpunkt gewesen sein, wie die jeweils einschlägigen Verfahrensvorschriften in einer Videoverhandlung umgesetzt werden können und müssen. Diese Entscheidung ist aber sicher wegweisend, da sie mit der vorschriftsmäßigen Besetzung des Gerichts und dem Recht auf gesetzlichen Richter rechtsstaatliche Grundsätze thematisiert, die für alle Gerichtsbarkeiten gelten und einen zentralen Baustein unseres rechtsstaatlichen Verfahrens darstellen.

Quelle: BRAK