Bundesrat schlägt Änderung beim Gesetz gegen Schrottimmobilien-Missbrauch vor

Bundesrat, Mitteilung vom 26.04.2024

Ein Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Bekämpfung der missbräuchlichen Ersteigerung von Schrottimmobilien stand am 26. April 2024 auf der Tagesordnung des Bundesrates. Im Fokus stehen Fälle, in denen Gebäude im Rahmen von Zwangsversteigerungen ersteigert werden, die Ersteher allerdings nie den Kaufpreis entrichten und dennoch über einen längeren Zeitraum Einkünfte aus der Immobilie erzielen – beispielsweise durch Mieteinnahmen. Dies ist nur bei Versteigerungen möglich, da bei man hier bereits mit Erteilung des Zuschlages und nicht erst mit Eintragung ins Grundbuch Eigentümer des Grundstücks wird.

Gerichtliche Verwaltung von Grundstücken

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht vor, dass Gemeinden die Möglichkeit eines Antrages auf gerichtliche Verwaltung solcher Grundstücke eingeräumt wird. Nach der Anordnung der gerichtlichen Verwaltung sind Miet- und andere Einkünfte aus dem Grundstück nicht an den Ersteher, sondern an den gerichtlich bestellten Verwalter zu zahlen. So soll dem Anreiz entgegengewirkt werden, überhöhte Gebote auf Problemimmobilien abzugeben, um als Eigentümer ohne Zahlung des Kaufpreises aus dem Grundstück Nutzen zu ziehen.

Bundesrat schlägt Einschränkung vor

In seiner Stellungnahme zum Regierungsentwurf regt der Bundesrat an, Gemeinden nur dann die Möglichkeit der Beantragung einer gerichtlichen Verwaltung zu gewähren, wenn die jeweilige Landesregierung dies durch Erlass einer Rechtsverordnung zugelassen hat. Hintergrund dieses Vorschlages ist es, dass die Zahl der Anwendungsfälle für das Gesetz seiner Begründung nach begrenzt und regional überschaubar ist. Der Bundesrat befürchtet, dass es andernfalls im gesamten Bundesgebiet zu höheren Kosten im Rahmen von Zwangsversteigerungsverfahren kommen könnte, da stets mit der Möglichkeit der Bestellung einer gerichtlichen Verwaltung gerechnet werden müsste.

Wie es weitergeht

Die Stellungnahme zum Regierungsentwurf wurde der Bundesregierung zugeleitet, die in den nächsten Wochen dazu eine Gegenäußerung verfasst und dann alle Dokumente dem Bundestag zur Entscheidung vorlegt. Spätestens drei Wochen nach Verabschiedung des Gesetzes durch den Bundestag befasst sich der Bundesrat dann noch einmal abschließend damit.

Quelle: Bundesrat

Teilzeitquote erneut leicht gestiegen auf 31 % im Jahr 2023

Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung vom 26.04.2024

  • Frauen arbeiten anteilig deutlich häufiger in Teilzeit (50 %) als Männer (13 %)
  • 27 % der teilzeitbeschäftigten Frauen haben wegen Kinderbetreuung die Arbeitszeit reduziert, bei Männern sind es knapp 6 %
  • Unterdurchschnittliche Teilzeitquote in vielen Mangelberufen, Ausnahme bildet die Pflege

Der moderate Trend zu mehr Teilzeitbeschäftigung in Deutschland hält weiter an. Im Jahr 2023 arbeiteten 31 % der Angestellten hierzulande in Teilzeit, wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt. Gegenüber dem Vorjahr (30 %) ist die Teilzeitquote damit erneut leicht gestiegen. Während 2023 jede zweite Frau (50 %) einer Teilzeitbeschäftigung nachging, lag die Teilzeitquote unter den Männern mit 13 % deutlich niedriger. Sowohl bei Frauen als auch bei Männern hat die Teilzeitbeschäftigung seit dem Jahr 2013 leicht zugenommen. Damals hatten noch 48 % der Frauen und 10 % der Männer in Teilzeit gearbeitet. Insgesamt hatte die Teilzeitquote bei 28 % gelegen. Die Aktivierung von Teilzeitbeschäftigten, mehr zu arbeiten, stellt eine Möglichkeit dar, zusätzliches Potenzial am Arbeitsmarkt zu erschließen und wird deshalb im Zusammenhang mit Fachkräftemangel diskutiert. Gleichzeitig kann eine Teilzeitbeschäftigung die Aufnahme einer Beschäftigung erst ermöglichen, etwa weil auf diese Weise die Vereinbarkeit von Beruf und Familie besser oder überhaupt gewährleistet werden kann.

67 % aller Mütter arbeiten in Teilzeit, 9 % aller Väter

Die Geburt des eigenen Kindes führt vor allem bei Frauen zu einer Reduktion der Arbeitszeit. Im Jahr 2023 gingen 67 % aller Mütter mit mindestens einem Kind unter 18 Jahren einer Teilzeitbeschäftigung nach, aber nur 9 % aller Väter. Zum Vergleich: Bei Beschäftigten ohne Kinder sind die Unterschiede weniger deutlich. Hier lag die Teilzeitquote von Frauen bei 39 %, Männer ohne Kinder arbeiteten zu 16 % in Teilzeit.

Frauen arbeiten am häufigsten wegen Betreuungspflichten in Teilzeit, Männer wegen Bildung

Die Gründe für Teilzeitbeschäftigung sind vielfältig, auch hier gibt es große Geschlechterunterschiede. Während 27 % der teilzeitbeschäftigten Frauen die Betreuung von Kindern als Grund für die reduzierte Arbeitszeit angaben, traf dies bei Männern lediglich auf knapp 6 % zu. Der Unterschied bleibt auch bestehen, wenn man nur teilzeitbeschäftigte Eltern betrachtet, wenngleich auf höherem Niveau. Während 63 % der Mütter mit minderjährigen Kindern in Teilzeit die Betreuung von Kindern als Grund für ihre Teilzeitarbeit angaben, waren es bei Vätern lediglich 29 %.

Unter allen Teilzeitbeschäftigten war für 24 % der Männer eine Aus- oder Fortbildung beziehungsweise ein Studium ursächlich für die Teilzeitbeschäftigung. Bei Frauen traf dies nur auf 8 % zu. Auch Krankheit oder das fehlende Angebot von Vollzeitjobs können Gründe für Teilzeitarbeit sein. Mehr als ein Viertel (27 %) der insgesamt 12,2 Millionen Teilzeitbeschäftigten arbeitet einfach auf eigenen Wunsch weniger, ohne dass die genannten Gründe – gesundheitliche Einschränkungen oder andere familiäre Verpflichtungen – eine Rolle spielen. Ihr Anteil war unter Frauen mit 29 % etwas höher als unter Männern mit 23 %.

Teilzeitbeschäftigung wird von Erwerbstätigen verschiedenen Alters meist ähnlich stark genutzt

Teilzeitbeschäftigung wird über alle Altersgruppen hinweg genutzt, die Teilzeitquote entspricht in den meisten Altersgruppen dem Durchschnitt über alle Altersgruppen. Die 25- bis 34-Jährigen wiesen mit knapp 23 % allerdings eine deutlich unter dem Durchschnitt liegende Teilzeitquote auf, während diese bei den Beschäftigten der 65- bis 74-Jährigen mit 76 % außergewöhnlich hoch war. Allerdings unterscheiden sich die Gründe für die reduzierte Arbeitszeit je nach Alter der Beschäftigten. So arbeiteten 15- bis 24-Jährige vor allem wegen der eigenen Bildung in Teilzeit – auf 70 % der Teilzeitbeschäftigten in dieser Altersgruppe traf das zu. Dagegen war in der Altersgruppe der 35- bis 44-jährigen Teilzeitbeschäftigten die Kinderbetreuung der häufigste Grund für die Reduzierung der Arbeitszeit (53 %). Der Anteil derer, die einfach weniger arbeiten möchten, war in der Altersgruppe der 45- bis 54-jährigen Teilzeitbeschäftigten mit 32 % besonders hoch, ebenso bei den 55- bis 64-Jährigen mit 44 %. Mit zunehmendem Alter steigt auch der Anteil derer, die aufgrund eigener körperlicher Beeinträchtigungen die Arbeitszeit reduziert haben. In der Altersgruppe der 55- bis 64-Jährigen traf dies auf 9 % der Teilzeitbeschäftigten zu.

Aktivierung von Teilzeitkräften bietet unterschiedliches Potenzial in Mangelberufen

Mit Blick auf den Fachkräftemangel wird auch die Erschließung zusätzlicher Potenziale über die stärkere Aktivierung von Teilzeitbeschäftigten diskutiert. Allerdings wiesen 2023 die meisten Mangelberufe für nichtakademische Fachkräfte einen stark unterdurchschnittlichen Teilzeitanteil auf. Eine Ausnahme bildet der Bereich der Gesundheits- und Krankenpflege sowie der Altenpflege: Hier lagen die Teilzeitanteile mit 39 % und 43 % deutlich über dem Durchschnitt aller Erwerbstätigen (31 %). Gründe hierfür sind nicht nur der sehr hohe Anteil weiblicher Arbeitskräfte, sondern auch die außerordentliche Arbeitsbelastung im Pflegebereich. Dagegen war die Teilzeitquote in der Energietechnik sowie im Bereich Klempnerei, Heizung-, Sanitär- und Klimatechnik, wo Fachkräfte zur Umsetzung der Energiewende gebraucht werden, mit jeweils gut 5 % sehr niedrig. Das verdeutlicht, dass aufgrund der Umstände in einem Berufsfeld eine Steigerung des Arbeitsvolumens über die Aktivierung von Teilzeitkräften nicht immer möglich ist.

Quelle: Statistisches Bundesamt (Destatis)

ifo Beschäftigungsbarometer gefallen (April 2024)

ifo Institut, Pressemitteilung vom 26.04.2024

Die Unternehmen in Deutschland zeigen sich zurückhaltender bei der Personalplanung. Das ifo Beschäftigungsbarometer sank im April auf 96,0 Punkte, nach 96,3 Punkten im März. „Auftragsmangel bremst bei einigen Unternehmen die Neueinstellungen aus“, sagt Klaus Wohlrabe, Leiter der ifo Umfragen. „Bei den Dienstleistern gibt es Branchen, wie Datenverarbeitung oder Tourismus, in denen eingestellt wird.“

Die Industrie hat ihre Einstellungspläne zurückgefahren. Der Personalbestand soll verkleinert werden. Dies gilt insbesondere für energieintensive Branchen. Auch im Handel gibt es eine Tendenz zu weniger Personal. Bei den Dienstleistern konnte das Barometer leicht zulegen. Die Datenverarbeiter und der Tourismus sind hier die treibenden Kräfte. Auf dem Bau ist der Indikator gestiegen. Dennoch zwingt die schlechte Auftragslage, insbesondere im Hochbau, einige Unternehmen dazu, Arbeitsplätze abzubauen.

Quelle: ifo Institut

Abgesetzt: Erhöhung von steuerlichen Freibeträgen für Arbeitnehmer

Deutscher Bundestag, Mitteilung vom 23.04.2024

Die geplante Abstimmung über einen Antrag der CDU/CSU-Fraktion mit dem Titel „Arbeitende Mitte stärken – Steuerbelastung senken“ (20/8861) wurde von der Tagesordnung des Bundestages am Donnerstag, 25. April 2024, wieder abgesetzt. Der Finanzausschuss hatte dazu eine Beschlussempfehlung (20/11061) vorgelegt.

Antrag der Unionsfraktion

Die Unionsfraktion fordert in ihrem Antrag, den steuerlichen Grundfreibetrag und den Kinderfreibetrag für das sächliche Existenzminimum um zwölf Prozent anzuheben, das Kindergeld für 2024 entsprechend zu erhöhen und die bis 2022 bestehende Stufung für kinderreiche Familien ab dem dritten und vierten Kind wiedereinzuführen.

Quelle: Deutscher Bundestag, Textarchiv

EU-Vorschläge zur Gewinnbesteuerung – kommen noch Verbesserungen für Unternehmen?

DIHK, Mitteilung vom 25.04.2024

Die Europäische Union nimmt sich in Steuerfragen Zeit – vor allem, wenn es um Unternehmensgewinne geht: Bereits 2011 wurde der Vorschlag für eine „Gemeinsame Konsolidierte Körperschaftsteuerbemessungsgrundlage“ (GKKB) vorgelegt. Fünf Jahre später bemühte sich die Kommission um ein Revival dieses – zwischenzeitlich nahezu gescheiterten – Vorschlags, indem sie eine EU-weit einheitliche Bemessungsgrundlage ohne grenzüberschreitende Verrechnung von Gewinnen und Verlusten anbot. 2021 kam dann die Mitteilung zur „Unternehmensbesteuerung im 21. Jahrhundert“, woraus 2023 der aktuell diskutierte „Europäische Rahmen für die Körperschaftsteuer“ (BEFIT) entstand.

Neuer europäischer Rahmen für die Körperschaftsteuer

BEFIT steht für „Business in Europe – Framework for Income Taxation“. Das Konzept soll gleichzeitig Vereinfachungen und mehr Rechtssicherheit bringen: Die Steuerbemessungsgrundlagen der Mitglieder einer Unternehmensgruppe werden zusammengefasst und die Gewinne innerhalb der Gruppe nach einer einfachen Methode auf die beteiligten Staaten aufgeteilt. Die Unternehmensgruppe kommt ihren Verpflichtungen dann einmal im Ganzen nach, statt in jedem Mitgliedstaat gesonderte Steuererklärungen abzugeben.

Auf diesem Wege ließen sich die Steuerzahlungen der Gruppe viel einfacher ermitteln als bisher. Das hätte auch für die Steuerverwaltungen handfeste Vorteile. Ob die Steuerbescheide dann tatsächlich nicht mehr von verschiedenen Steuerbehörden hinterfragt und Gewinne zwischen mehreren beteiligten Staaten wirklich ohne Streit aufgeteilt würden, steht auf einem anderen Blatt.

Die Diskussion zieht sich in die Länge

Ohnehin ist BEFIT noch nicht in trockenen Tüchern. Denn die Zuständigkeit für die Ertragssteuern liegt bei den Mitgliedstaaten. Sie sind es, die Steuern einführen, aufheben, anpassen – und das alles innerhalb eines weit gefassten EU-Rahmens. Die EU kommt hier nur nachrangig ins Spiel, um das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes sicherzustellen. Ihre Mitglieder hüten ihre steuerpolitischen Rechte penibel und sind oftmals auch dann nicht bereit, Kompetenzen an Brüssel abzugeben, wenn ein Handeln der Union für zahlreiche Mitglieder oder die Staatengemeinschaft insgesamt Verbesserungen erreichen könnte. Die EU-Länder eint die begründete Sorge, dass ein Beschluss im Rat nahezu unumkehrbar wäre. Denn für jede Änderung gemeinsamer Steuerregeln braucht es die einhellige Zustimmung aller Mitglieder.

Bei den Unternehmen wächst die Verunsicherung

Es sind aber nicht nur die zurückhaltenden Nationalstaaten, auch Unternehmen reagieren zunehmend skeptisch, wenn sie von neuen Vorschlägen aus Brüssel hören: Denn letztlich müssen sie die Neuerungen umsetzen, oftmals zusätzlich zu den bestehenden Regelungen. Dabei wächst in den Betrieben in aller Regel der laufende Aufwand. Was auf jeden Fall zu Buche schlägt, sind hohe Umstellungskosten, insbesondere für Personalschulungen und den Aufbau von Compliance-Systemen.

Schneller geht Steuergesetzgebung auf EU-Ebene offenbar, wenn – aus Sicht der EU-Kommission – Steuervermeidung bekämpft werden soll: Die Anti-Steuervermeidungsrichtlinien ATAD I bis III wurden, in drei Wellen, jeweils innerhalb eines Jahres erlassen. Und die dazu gehörige verfahrenstechnische Absicherung, die „EU-Amtshilferichtlinie“, wurde in einem Zeitraum von zehn Jahren schon sieben Mal geändert – stets verbunden mit einer Ausdehnung der steuerlichen Meldepflichten.

EU-Steuergesetzgebung sollte Wettbewerbsfähigkeit stärken

Die EU wird zukünftig noch viel stärker gefordert sein, die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Europa zu steigern. Die Konkurrenz zu den großen Wirtschaftsräumen USA und China beziehungsweise Asien gewinnt deutlich an Intensität. Um mit den in diesen Wirtschaftsräumen beschlossenen Reformen mithalten zu können, muss Europa seine Ertragsbesteuerung reformieren. Gefragt sind wachstumsfreundliche Anreize und einfache Regeln statt bürokratischer Erhebungsverfahren und kleinteiliger Meldepflichten. Eine solche Reformagenda der neuen EU-Kommission wird aber vermutlich nur dann aussichtsreich sein, wenn im Europäischen Parlament klare Mehrheiten für eine zukunftsorientierte Wirtschafts- und Finanzpolitik zustande kommen.

Quelle: DIHK

Örtliche Zuständigkeit des Jugendhilfeträgers bei vollständigem Verlust des Sorgerechts der getrenntlebenden Eltern

BVerwG, Pressemitteilung vom 25.04.2024 zu den Urteilen 5 C 3.23 und 5 C 12.22 vom 25.04.2024

Haben die Eltern eines Kindes zu Beginn und während einer Jugendhilfeleistung ihren jeweiligen gewöhnlichen Aufenthalt in Bezirken verschiedener Jugendhilfeträger und verlieren beide Elternteile das Personensorgerecht, richtet sich die örtliche Zuständigkeit des Jugendhilfeträgers nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Elternteils, bei dem das Kind vor Beginn der Hilfeleistung zuletzt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig am 25.04.2024 entschieden.

Der Kläger, ein hessischer Landkreis, begehrt von der beklagten nordrhein-westfälischen Stadt die Erstattung von Jugendhilfekosten in Höhe von etwa 330.000 Euro. Die Eltern des 2008 geborenen Kindes lebten seit 2012 getrennt. Das Kind verblieb beim Vater im Zuständigkeitsbezirk der beklagten Stadt. 2014 zog die Mutter in den Zuständigkeitsbereich des Klägers um. Nachdem das Familiengericht im Sommer 2017 dem Kindesvater die elterliche Sorge entzogen hatte, nahm das Jugendamt der Beklagten das Kind in Obhut und erbrachte Jugendhilfeleistungen in Form der Heimerziehung. Der Kläger übernahm den Hilfefall in seine Zuständigkeit, weil die zu diesem Zeitpunkt allein sorgeberechtigte Mutter ihren gewöhnlichen Aufenthalt in seinem Zuständigkeitsbereich hatte. Nachdem das Familiengericht im Mai 2018 auch der Mutter das Sorgerecht entzogen hatte, vertrat der Kläger gegenüber der Beklagten erfolglos die Auffassung, diese sei für den Hilfefall wieder zuständig geworden, weil die elterliche Sorge keinem Elternteil zustehe und das Kind vor Beginn der Jugendhilfeleistung seinen gewöhnlichen Aufenthalt beim Vater gehabt habe, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bereich der Beklagten habe. Infolgedessen müsse die Beklagte die im Zeitraum von Mai 2018 bis Februar 2023 entstandenen Jugendhilfekosten erstatten. Das Verwaltungsgericht ist der Auffassung des Klägers gefolgt.

Die hiergegen von der Beklagten mit Zustimmung des Klägers eingelegte Sprungrevision zum Bundesverwaltungsgericht blieb erfolglos. Die örtliche Zuständigkeit des Jugendhilfeträgers richtet sich in einem solchen Fall danach, wo derjenige Elternteil seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, bei dem das Kind vor Beginn der Hilfeleistung zuletzt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte (§ 86 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 des Achten Buchs des Sozialgesetzbuchs – SGB VIII). Nicht anwendbar ist die Regelung, die eine statische Zuständigkeit des bisherigen örtlichen Trägers vorsieht (§ 86 Abs. 5 Satz 2 Alt. 2 SGB VIII). Diese Vorschrift regelt zwar auch den Fall, dass keinem der Eltern die elterliche Sorge zusteht. Sie betrifft aber nur – wie sich im Wege der Auslegung ergibt – die in ihrem Satz 1 (§ 86 Abs. 5 Satz 1 SGB VIII) geregelten Fälle, in denen die Eltern nach Beginn der Jugendhilfeleistung verschiedene gewöhnliche Aufenthalte begründen. Nachdem der Gesetzgeber im Jahre 2013 die Zuständigkeitsnorm (§ 86 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII) mit Wirkung zum 1. Januar 2014 geändert und dort die Worte „in diesen Fällen“ eingefügt hat, nimmt diese Regelung auch dann in vollem Umfang den vorhergehenden Satz 1 in Bezug, wenn keinem Elternteil das Sorgerecht zusteht. Die gegenteilige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 86 Abs. 5 Satz 2 Alt. 2 SGB VIII in der bis Ende 2013 geltenden Fassung, auf die sich die Beklagte beruft, ist auf die aktuelle Gesetzesfassung nicht übertragbar. Haben die Elternteile bereits bei Beginn und während einer Jugendhilfeleistung verschiedene gewöhnliche Aufenthalte und verliert wie hier auch der zweite Elternteil die Personensorge für das Kind, richtet sich die örtliche Zuständigkeit daher nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Elternteils, bei dem das Kind vor Beginn der Hilfeleistung seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte (§ 86 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 SGB VIII).

In einem ähnlich gelagerten Verfahren des Verwaltungsgerichts München hat das Bundesverwaltungsgericht die vorgenannte Rechtsfrage ebenso entschieden, aber die Entscheidung der Vorinstanz aufgehoben und die Sache zur weiteren Tatsachenaufklärung an diese zurückverwiesen.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht

Motorboot stockt – Schadensersatzanspruch wegen arglistiger Täuschung?

LG Lübeck, Pressemitteilung vom 25.04.2024 zum Urteil 15 O 37/23 vom 29.02.2024 (rkr)

Ein Verkäufer täuscht nur dann arglistig über Mängel an einer Sache, wenn er oder seine Hilfspersonen die Mängel kennen. Es reicht hingegen nicht aus, dass die Mängel einem Verwandten des Verkäufers bekannt sind, der nicht am Geschäft beteiligt ist.

Eine Frau erbte von ihrem Ehemann ein Motorboot und wollte es verkaufen. Das Boot wurde mehreren Interessenten vorgeführt. Manchmal war bei diesen Vorführungen der Sohn der Frau dabei. Ein Käufer für das Boot findet sich aber zunächst nicht. Ihr Sohn traf sich daraufhin mit einem anderen Mann, der Interesse an dem Boot zeigte. Bei diesem Besichtigungstermin hatte das Boot erst Startprobleme, sprang dann aber an. Der Mann verzichtete daraufhin auf eine Probefahrt und kaufte das Boot unter Ausschluss der Sachmängelhaftung. Dabei trat der Sohn der Frau selber als Verkäufer des Bootes auf und stand auch im Kaufvertrag.

Nachdem das Boot winterfest gemacht worden war, wandte sich der Käufer an den Sohn. Er wollte den Verkauf rückabwickeln. Das Boot habe einen Getriebeschaden. Die Mutter habe auch spätestens seit der Besichtigung des Bootes durch andere Interessenten hiervon gewusst. So habe aufgrund der Schäden einmal eine Probefahrt nicht stattfinden können. Ihr Sohn müsse sich als Verkäufer des Bootes so behandeln lassen, als ob er dieses Wissen seiner Mutter teile. Daher könne er sich nicht auf den Mängelgewährleistungsausschluss berufen.

Der Mann forderte vor dem Landgericht Lübeck die Rückzahlung des Kaufpreises gegen Rückgabe des Bootes.

Was steht im Gesetz?

Grundsätzlich muss eine verkaufte Sache frei von Mängeln sein, § 433 Abs. 1 S. 2 BGB. Wenn die Sache doch nicht in Ordnung ist, kann der Käufer bspw. die Beseitigung der Mängel oder die Lieferung einer mangelfreien Sache verlangen. Ist dies nicht möglich oder will der Verkäufer die Mängel nicht beseitigen, kann der Käufer auch die Rückabwicklung des Vertrages verlangen. Diese Rechte, die auch Mängelgewährleistungsrechte genannt werden, können aber bei einem Vertrag zwischen Verbraucher*innen ausgeschlossen werden. Allerdings kann man sich auf diesen Ausschluss nicht berufen, wenn man entweder eine Garantie dafür übernommen hat, dass eine Sache in Ordnung ist oder, wenn man den Mangel arglistig verschweigt, § 444 BGB.

Wie hat das Gericht entschieden?

Das Landgericht Lübeck hat die Klage abgewiesen. Der Käufer konnte nicht beweisen, dass der Sohn den Mangel arglistig verschwiegen hat. Denn dafür hätte der Sohn von dem Mangel wissen müssen, oder Angaben „ins Blaue hinein“ gemacht haben, dass das Boot in Ordnung gewesen sei. Zwar wurde mit der Mutter bei einem Besichtigungstermin mit anderen Interessenten darüber gesprochen, dass das Boot wohl ein Problem am Motor habe. Aber es sei nicht mehr zweifelsfrei feststellbar gewesen, dass mit dem Sohn explizit über den eventuell fehlerhaften Motor gesprochen wurde. Auch müsse sich der Sohn nicht das Wissen seiner Mutter zurechnen lassen. Denn die Mutter spielte bei dem Verkauf keine Rolle als Vertreterin oder Gehilfin ihres Sohnes.

Das Urteil vom 29.02.2024 (Az. 15 O 37/23) ist rechtskräftig.

Quelle: Landgericht Lübeck

Rechtmäßigkeit des sog. Quadratwurzelmaßstabs bei der Berechnung von Straßenreinigungsgebühren

OVG Niedersachsen, Pressemitteilung vom 25.04.2024 zu den Urteilen 9 LC 117/20 und 9 LC 138/20 vom 24.04.2024

Der 9. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts hat mit zwei Urteilen vom 24. April 2024 (Az. 9 LC 117/20 und 9 LC 138/20) die Berufungen der Kläger in zwei Verfahren gegen Straßenreinigungsgebührenbescheide der Hansestadt Lüneburg für das Jahr 2018 zurückgewiesen.

Die Hansestadt Lüneburg erhob bis Ende 2017 Straßenreinigungsgebühren nach dem sog. Frontmetermaßstab. Mit Wirkung zum 1. Januar 2018 stellte sie den Maßstab um und erhebt seitdem die Gebühren gemäß ihrer Straßenreinigungsgebührensatzung nach dem sog. Quadratwurzelmaßstab. Bei diesem wird aus der Grundstücksfläche die Quadratwurzel gezogen. Damit wird gedanklich ein quadratisches Grundstück gebildet, von dem die Länge einer Seite der Gebührenberechnung zugrunde gelegt wird.

Der 9. Senat hat entschieden, dass der Quadratwurzelmaßstab ein rechtmäßiger Wahrscheinlichkeitsmaßstab für die Bemessung der Straßenreinigungsgebühren ist. Der vormals von der Hansestadt Lüneburg angewandte Frontmetermaßstab sei gegenüber dem Quadratwurzelmaßstab nicht vorrangig anzuwenden. Darüber hinaus hat der Senat auch die Bestimmungen in der Straßenreinigungsgebührensatzung über die Heranziehung von mehrfach anliegenden Grundstücken und von Hinterliegergrundstücken als rechtmäßig erachtet. Diese verstießen weder gegen den Bestimmtheitsgrundsatz oder den Gleichheitssatz noch gegen den Grundsatz der Vollständigkeit.

Der Senat hat die Revision an das Bundesverwaltungsgericht in beiden Verfahren nicht zugelassen. Die Kläger haben die Möglichkeit, hiergegen Beschwerde einzulegen, über die das Bundesverwaltungsgericht entscheidet.

Quelle: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht

Kündigung einer Professorin wegen wissenschaftlichen Fehlverhaltens rechtmäßig

ArbG Bonn, Pressemitteilung vom 24.04.2024 zum Urteil 2 Ca 345/23 vom 24.04.2024 (nrkr)

Die 2. Kammer des Arbeitsgerichtes Bonn hat mit Urteil vom 24.04.2024 die Klage einer angestellten Professorin der Universität Bonn gegen ihre Kündigung abgewiesen.

Die Klägerin war seit 2021 im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses im Fachbereich Politikwissenschaften als Universitätsprofessorin tätig. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis zum 31.03.2023. Sie wirft der Klägerin vor, in insgesamt drei ihrer Publikationen die Grundsätze der guten wissenschaftlichen Praxis nicht eingehalten zu haben, indem sie jeweils an verschiedenen Stellen plagiiert habe.

Die Klägerin bestreitet, dass sie in den drei Werken die Grundsätze der guten wissenschaftlichen Praxis habe einhalten müssen. Dies folge aus dem populärwissenschaftlichen Charakter der Werke. Zudem handele es sich bei den von der Beklagten monierten Stellen um bloße Zitierfehler. Sie erreichten in ihrer Anzahl kein erhebliches Maß. Der Klägerin sei auch im Rahmen des universitären Untersuchungsverfahrens keine hinreichende Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt worden. Jedenfalls sei die Kündigung unverhältnismäßig, da die Beklagte eine Abmahnung als milderes Mittel hätte aussprechen können.

Die Kammer ist zu der Auffassung gelangt, dass die Klägerin jedenfalls in einer ihrer Publikationen, welche sie im Rahmen ihrer Bewerbung vorlegte, die Grundsätze der wissenschaftlichen Redlichkeit vorsätzlich nicht eingehalten hat. Die Vorlage eines solchen Werkes in einem Bewerbungsverfahren um einen universitären Lehrstuhl stelle eine wesentliche Pflichtverletzung der Klägerin im Rahmen des Arbeitsverhältnisses dar. Dies gelte zumindest dann, wenn dieses Werk – wie von der Klägerin – als zentraler Bestandteil in die Bewerbung eingebracht worden sei. Die Vorlage einer Publikation in einer solchem Bewerbungsverfahren enthalte die Erklärung, dass die Regeln der guten wissenschaftlichen Praxis eingehalten worden seien. Etwaige Fehler im Verfahren um die Ermittlungen des wissenschaftlichen Fehlverhaltens führten nicht zur Unverhältnismäßigkeit der Kündigung. Aufgrund der Schwere der Verletzung in einem Kernbereich der Pflichten einer Professorin komme eine vorherige Abmahnung als milderes Mittel ausnahmsweise nicht in Betracht.

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Gegen das Urteil kann Berufung beim Landesarbeitsgericht Köln eingelegt werden.

Quelle: Arbeitsgericht Bonn

Keine gesonderte Feststellung des Bestands des steuerlichen Einlagekontos bei rechtsfähigen privaten Stiftungen

BMF, Schreiben (koordinierter Ländererlass) IV C 2 – S-2204 / 24 / 10001 :001 vom 24.04.2024

Der BFH hat im Urteil vom 17. Mai 2023, I R 42/19, BStBl II S. …, entschieden, dass bei rechtsfähigen privaten Stiftungen des bürgerlichen Rechts keine gesonderte Feststellung des Bestands des steuerlichen Einlagekontos erfolgt, da es hierfür an einer Rechtsgrundlage mangelt.

Der BFH vertritt in Rn. 21 des o. g. Urteils vom 17. Mai 2023 die – nicht entscheidungserhebliche – Auffassung, dass es bei rechtsfähigen privaten Stiftungen des bürgerlichen Rechts nicht zwingend einer gesonderten Feststellung nach § 27 Absatz 7 KStG bedarf, um für die Destinatäre die Anwendbarkeit des § 20 Absatz 1 Nummer 1 Satz 3 EStG zu erreichen.

Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt weiterhin, dass die Annahme einer Einlagenrückgewähr auf Ebene der Leistungsempfänger einer Stiftung daran scheitert, dass auf Ebene der Stiftung kein steuerliches Einlagekonto festgestellt wird und folglich Beträge des Einlagekontos auch nicht verwendet werden können.

Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.

Quelle: Bundesministerium der Finanzen