Versehentliche Stornierung?

AG München, Pressemitteilung vom 29.04.2024 zum Urteil 275 C 20050/23 vom 18.04.2024 (nrkr)

Im Streit um Ansprüche auf Rückerstattung aus einem Reisevertrag wies das Amtsgericht München eine Klage auf Zahlung von 3.948,91 Euro ab.

Der Kläger hatte bei der Beklagten zum Preis von 4.548,26 Euro eine 9-tägige Reise für sich und seine Ehefrau im Juni 2023 nach Faro (Portugal) gebucht. Im Anschluss stornierte der Kläger im Internet auf der Homepage der Beklagten die Reise. Die Beklagte buchte sodann vom Konto des Klägers Stornierungsgebühren in Höhe von 3.859,21 Euro ab. Der Kläger leitete daraufhin am selben Tag eine E-Mail an die Beklagte weiter, um die Stornierung rückgängig zu machen.

Der Kläger behauptete, er habe erst nach Buchung der Reise erfahren, dass neben dem Hotel eine Baustelle liege. Er habe sich zudem im Internet lediglich über eine Umbuchung informieren wollen und habe unbeabsichtigt wegen der Unübersichtlichkeit der Homepage die Reise storniert. Er habe deswegen die abgegebene Willenserklärung zur Stornierung angefochten.

Die Beklagte trug vor, der Kläger habe keine genauen Angaben über die besagte Baustelle getroffen. Im Übrigen sei die Buchung wirksam storniert worden. Für die endgültige Stornierung seien mehrere einzelne Schritte erforderlich gewesen. Eine unbeabsichtigte Kündigung sei im System unmöglich. Dem Reiseveranstalter sei durch den Rücktritt des Kunden hingegen ein Schaden entstanden.

Das Amtsgericht München wies die Klage ab und begründete dies wie folgt:

„Der unstreitig zwischen den Parteien geschlossene Reisevertrag wurde vom Kläger wirksam storniert. Eine wirksame Anfechtung der Stornierung aufgrund eines Irrtums in der Erklärungshandlung nach § 119 Abs. 1 Alt. 2 BGB ist nicht gegeben.

Ein Irrtum im Sinne von § 119 BGB ist das unbewusste Auseinanderfallen von Willen und Erklärung. Nach § 119 Abs. 1 2. Fall BGB liegt zudem ein Irrtum in der Erklärungshandlung vor, wenn schon der äußere Erklärungstatbestand nicht dem Willen des Erklärenden entspricht. Dies ist beispielsweise beim Versprechen, Verschreiben oder Vergreifen der Fall […].

Zwar gab der Kläger an, die Homepage der Beklagten sei für ihn unübersichtlich gewesen, da diverse Klicks erforderlich gewesen seien.

Es kann grundsätzlich nach der allgemeinen Lebenserfahrung sein, dass man versehentlich einmalig etwas anklickt, was dem eigentlichen Willen nicht entspricht. Es erscheint jedoch lebensfremd, dass bei der Durchführung eines Vorgangs wie hier der Buchungsstornierung mit insgesamt fünf verschiedenen Schritten jedes Mal ein „Verklicken“, und damit ein Irrtum in der Erklärungshandlung vorgelegen haben soll.

Aus den von der Beklagtenpartei vorgelegten Anlage ergibt sich insoweit, dass der Kläger für eine endgültige Stornierung der Reise erst mehrere einzelne Schritte durchführen musste: Zur Auslösung des endgültigen Stornierungsvorgangs musste der Kläger insgesamt viermal aktiv per Mausklick bestätigen, dass er eine Stornierung wünsche.

Dabei musste er bei Schritt 1 zunächst angeben, aus welchem Grund er seine Reise stornieren wollte. Im Anschluss bei Schritt 2 musste der Kläger angeben, was genau er stornieren wollte. Bei dem darauffolgenden Schritt 3 wurde der Kläger ausdrücklich darauf hingewiesen, dass beim Auswählen „Buchung stornieren“, die Stornierung durchgeführt, und im Namen des Reisenden eine Rückerstattung beantragt werde. Erst durch Anklicken dieses Feldes gelangte der Kläger zum letzten und 4. Schritt, wo nochmals um Bestätigung gebeten wurde, dass tatsächlich mit der Stornierung fortzufahren sei. […]

Dass das Anklicken versehentlich geschah, und nicht dem Willen des Klägers entsprach, ist aufgrund des dargelegten Vorgangs für das Gericht nicht nachvollziehbar. Ein Irrtum in der Erklärungshandlung durch Vertippen sieht das Gericht hier dementsprechend nicht gegeben. Es ist vielmehr davon nach Auffassung des Gerichts davon auszugehen, dass dem Kläger bewusst gewesen sein muss, dass er bei Durchführung des gesamten Buchungsvorgangs eine endgültige Stornierung vornahm – und nicht bloß wie von ihm vorgegeben – eine Umbuchung.

Der unstreitig zwischen den Parteien geschlossene Reisevertrag wurde somit wirksam storniert.

Die Beklagte war zudem berechtigt, aufgrund des Rücktritts vom Vertrag durch den Kläger vor Reisebeginn einen Betrag in Höhe von 3.859,21 Euro als angemessene Entschädigung im Sinne von § 651h Abs. 1 Satz 3 BGB zu verlangen. […]

Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte schlüssig dargetan hat, dass sie bei der Buchung der einzelnen Leistungen, nämlich der Flüge und des Hotels, jeweils in Vorleistung gehen musste. […] Die Gesamtaufwendungen der Reiseleistungen beliefen sich hierbei auf 4.036,29 Euro. […]

Die Klagepartei kann sich hingegen nicht darauf berufen, sie habe ein Anspruch auf Rückerstattung aufgrund Ziffer 9. der AGB der Beklagten.

Die pauschale Behauptung des Klägers, es habe neben dem Hotel eine Baustelle gegeben, führt nicht zu einer vertraglichen Pflicht der Beklagten, alternative Lösungen anbieten zu müssen.

Insoweit fehlt es bereits – so wie von der Beklagten zutreffend angegeben – an einem schlüssigen und konkreten Vortrag dahingehend, dass von der behaupteten Baustelle ausreichender Baulärm ausging, der zu einem nicht unwesentlichen Reisemangel geführt habe. Auch eine entsprechende Mängelanzeige, so wie vom Gesetz gefordert, erfolgte nicht.“

Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Quelle: Amtsgericht München

Inflationsrate im April 2024 voraussichtlich +2,2 %

Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung vom 29.04.2024

Verbraucherpreisindex, April 2024:
+2,2 % zum Vorjahresmonat (vorläufig)
+0,5 % zum Vormonat (vorläufig)

Harmonisierter Verbraucherpreisindex, April 2024:
+2,4 % zum Vorjahresmonat (vorläufig)
+0,6 % zum Vormonat (vorläufig)

Die Inflationsrate in Deutschland wird im April 2024 voraussichtlich +2,2 % betragen. Gemessen wird sie als Veränderung des Verbraucherpreisindex (VPI) zum Vorjahresmonat. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) nach bisher vorliegenden Ergebnissen weiter mitteilt, steigen die Verbraucherpreise gegenüber März 2024 voraussichtlich um 0,5 %. Die Inflationsrate ohne Nahrungsmittel und Energie, oftmals auch als Kerninflation bezeichnet, beträgt voraussichtlich +3,0 %.

Trotz der im Januar 2024 ausgelaufenen Preisbremsen für Energieprodukte, der ebenfalls ab Januar 2024 auf die Preise für fossile Brennstoffe wie Kraftstoffe, Heizöl und Erdgas wirkenden CO2-Preis-Erhöhung sowie der im April 2024 erfolgten Rücknahme der temporären Mehrwertsteuersenkung (von 19 auf 7 Prozent) für Gas und Fernwärme waren die Energiepreise im April 2024 um 1,2 % niedriger als im Vorjahresmonat. Sie lagen damit erneut deutlich unterhalb der allgemeinen Preissteigerungsrate.

Inflationsrechner gibt Auskunft über persönliche Inflationsrate:

Mit dem persönlichen Inflationsrechner des Statistischen Bundesamtes können Verbraucherinnen und Verbraucher ihre monatlichen Konsumausgaben für einzelne Güterbereiche entsprechend des eigenen Verbrauchsverhaltens anpassen und eine persönliche Inflationsrate berechnen.

Quelle: Statistisches Bundesamt (Destatis)

DStV gegen Bekanntgabe von Steuerbescheiden an Samstagen

DStV, Mitteilung vom 29.04.2024

Durch neue Vorgaben für die Post kann die Zustellung von Briefen künftig länger dauern. Davon sind auch steuerliche Regelungen zur Berechnung von Fristen betroffen. Hier droht nach Auffassung des DStV für die Praxis Ungemach, wogegen er sich auf den letzten Metern des parlamentarischen Verfahrens gewandt hat.

Der Gesetzgeber möchte mit dem Postrechtmodernisierungsgesetz (PostModG) die Laufzeitvorgaben für die Zustellung von Briefen verlängern. Folgerichtig sieht der Gesetzentwurf auch eine Anpassung der Vermutungsregelungen für die Bekanntgabe von Verwaltungsakten aus verschiedenen Rechtsbereichen vor. Der Deutsche Steuerberaterverband e.V. (DStV) hat zu den Verfahrensänderungen im Steuerrecht Stellung genommen (DStV-Stellungnahme 07/24).

Auswirkung auf Fristberechnung

Um die Vermutungsregelung für die Zustellung von Verwaltungsakten nach § 122 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 2a sowie § 122a Abs. 4 Satz 1 Abgabenordnung (AO) an die verlängerten Laufzeitvorgaben anzupassen, sollen diese von drei Tagen auf vier Werktage geändert werden. Klargestellt wird auch, dass Samstage hiernach als Werktage gelten. Im Windschatten dieser Anpassungen plant die Bundesregierung die Regelung des § 108 Abs. 3 AO für die Bekanntgabe nicht mehr anzuwenden. Mit der Folge, dass eine Bekanntgabe an einem Samstag erfolgen kann und die Einspruchsfrist zu laufen beginnt. Das birgt Risiken bei der Fristberechnung und kann Nachteile für die Steuerpflichtigen haben.

Nachteile durch Bekanntgabe an Samstagen vermeiden

Die bisherige Rechtslage ist nunmehr seit Jahrzehnten durch die Rechtsprechung klargestellt und zur üblichen Praxis geworden. Die betrieblichen Abläufe sind entsprechend ausgestaltet. Neben dem ohnehin noch erhöhten Arbeitsaufkommen und dem Fachkräftemangel in kleinen und mittleren Kanzleien braucht es nicht noch zusätzlich eine Umstellung von Arbeitsabläufen. Deshalb hat sich der DStV für eine Beibehaltung der Anwendung des § 108 Abs. 3 AO sowie eine Verlängerung der Vermutungsregelung auf fünf Werktage ausgesprochen.

Quelle: Deutscher Steuerberaterverband e.V. – www.dstv.de

Attac: Klage auf Zugang zu Dokumenten des BMF auch in zweiter Instanz nur teilweise erfolgreich

OVG Berlin-Brandenburg, Pressemitteilung vom 29.04.2024 zum Urteil 12 B 1/23 vom 29.04.2024

Der 12. Senat des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg hat über die Berufungen des Attac Trägerverein e.V. und des Bundesfinanzministeriums gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin entschieden. Gegenstand des Berufungsverfahrens war die Frage, ob dem Kläger im Zusammenhang mit dem ihm aberkannten Status der steuerrechtlichen Gemeinnützigkeit ein Anspruch nach dem Informationsfreiheitsgesetz des Bundes auf Zugang zu 19 Dokumenten des Bundesfinanzministeriums zusteht. Bei diesen Unterlagen handelt es sich unter anderem um Ausschussprotokolle, Unterlagen betreffend Sitzungen der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder und Stellungnahmen oberster Landesfinanzbehörden. Gegenstand der Dokumente ist zum Teil das Verfahren des Klägers, teilweise betreffen sie aber auch Verfahren Dritter oder allgemeine Fragen der steuerrechtlichen Gemeinnützigkeit.

Der Senat hat die Entscheidung des Verwaltungsgerichts insoweit bestätigt, als dieses die Beklagte verpflichtet hat, dem Kläger Einsicht in sieben der Dokumente zu gewähren. In Bezug auf ein Dokument hat der Senat die Entscheidung des Verwaltungsgerichts geändert und die Beklagte verpflichtet, den Antrag des Klägers nach Durchführung eines sog. Drittbeteiligungsverfahrens neu zu bescheiden. Für die weiteren Dokumente ist er in Übereinstimmung mit der erstinstanzlichen Entscheidung davon ausgegangen, dass diese nicht offenzulegen seien, da sie vom Informationsantrag des Klägers nicht umfasst sind oder ihrer Offenlegung Ausschlussgründe entgegenstehen, die eine Geheimhaltung rechtfertigen. Ausschlussgründe sind etwa das Steuergeheimnis Dritter oder die Vertraulichkeit der Sitzungen der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder.

Die Revision zum Bundesverwaltungsgericht wurde nicht zugelassen.

Quelle: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg

Rentenversicherung: Rentenrückzahlung wegen grober Fahrlässigkeit

LSG Hessen, Pressemitteilung vom 29.04.2024 zum Urteil L 5 R 121/23 vom 29.04.2024

Wer eine Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung bezieht, hat regelmäßig einen geringeren Anspruch auf Altersrente. Die Rentenversicherung weist die Versicherten deshalb schon bei der Antragstellung ausdrücklich auf ihre entsprechende Mitteilungspflicht hin. Wer dennoch die Verletztenrente nicht angibt, handelt grob fahrlässig. Die zu viel geleistete Rente ist daher zurückzahlen. Dies entschied in einem heute veröffentlichten Urteil der 5. Senat des Hessischen Landessozialgerichts.

Altersrentner verschweigt den Bezug einer Verletztenrente

Ein 1949 geborener Versicherter aus dem Landkreis Kassel bezieht aufgrund eines Arbeitsunfalls im Jahr 1967 eine Verletztenrente von der Berufsgenossenschaft (BG).

Seit dem Jahr 2009 erhält er zudem eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen (von zunächst rund 2.400 Euro monatlich). Obgleich die Rentenversicherung ihn anlässlich der Rentenantragstellung ausdrücklich nach dem Bezug von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung gefragt und auf die entsprechende Mitteilungspflicht hingewiesen hatte, gab der Versicherte die Verletztenrente (damals rund 1.260 Euro monatlich) nicht an.

Nachdem der Versicherte rund 10 Jahre später bei der BG geltend gemacht hatte, dass sich die Folgen des Arbeitsunfalls verschlimmert hätten, erhöhte die BG die Verletztenrente mit Wirkung zum Februar 2018 und meldete dies der Rentenversicherung.

Die Rentenversicherung, die erst hierdurch Kenntnis von dem Bezug der Verletztenrente erlangte, hörte sodann den Versicherten zur beabsichtigten Rücknahme der Rentenbewilligung und zur Erstattung der überzahlten Rentenleistungen in Höhe von mehr als 80.000 Euro an.

Der Versicherte wandte hiergegen ein, dass er bei der Antragstellung falsch beraten worden sei. Zudem sei bereits Verjährung eingetreten.

Rücknahmeanspruch verjährt frühestens nach 10 Jahren

Die Richter beider Instanzen folgten der Ansicht der Rentenversicherung. Der Versicherte habe grob fahrlässig unrichtige Angaben gemacht. Im Rentenantragsformular werde „klar, eindeutig und unmissverständlich“ gefragt, ob Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung bezogen werden. Hierzu habe der Versicherte grob fahrlässig und bösgläubig keine unzutreffenden Angaben gemacht, obgleich er gewusst habe oder hätte wissen müssen, dass ihm die zuerkannte Altersrente wegen des Bezugs seiner Verletztenrente nicht in der geleisteten Höhe zustehe. Er könne sich auch nicht darauf berufen, dass er den entsprechenden Hinweis der Rentenversicherung nicht gelesen habe, da er dann in besonders schwerem Maße die erforderliche Pflicht verletzt hätte. Der Versicherte könne sich auch nicht darauf berufen, falsch beraten worden zu sein.

Es liege zudem keine Verjährung vor. Bei grober Fahrlässigkeit könne ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung jedenfalls bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Diese Frist habe die Rentenversicherung beachtet. Damit habe sie den Bewilligungsbescheid zurücknehmen und die zu viel geleistete Rente von dem Versicherten zurückfordern können.

Die Revision wurde nicht zugelassen.

Hinweise zur Rechtslage

§ 45 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz

(1) Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit (…)

2. der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder
3. er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.

(3) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung kann nach Absatz 2 nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. (…) Bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Absatz 2 zurückgenommen werden, wenn

1. die Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 gegeben sind (…)

§ 50 SGB X

(1) Soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist, sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten. (…)
(3) Die zu erstattende Leistung ist durch schriftlichen Verwaltungsakt festzusetzen.
(4) Der Erstattungsanspruch verjährt in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Verwaltungsakt nach Absatz 3 unanfechtbar geworden ist.

§ 93 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) – Gesetzliche Rentenversicherung

(1) Besteht für denselben Zeitraum Anspruch

1. auf eine Rente aus eigener Versicherung und auf eine Verletztenrente aus der Unfallversicherung (…)

wird die Rente insoweit nicht geleistet, als die Summe der zusammentreffenden Rentenbeträge vor Einkommensanrechnung nach § 97 dieses Buches und nach § 65 Absatz 3 und 4 des Siebten Buches den jeweiligen Grenzbetrag übersteigt. (…)

Quelle: Hessisches Landessozialgericht

Nach BVerfG-Ablehnung: Bundestag beschließt Reform des Klimaschutzgesetzes

BRRAK, Mitteilung vom 29.04.2024

Der Bundestag hat am Freitag, 26. April 2024, das umstrittene Klimaschutzänderungsgesetz (KSG) der Bundesregierung verabschiedet (20/8290, 20/8670, geändert durch den Ausschuss für Klimaschutz und Energie 20/11183). Für das Gesetz votierten die Koalitionsfraktionen, die Opposition stimmte dagegen.

Mit Beschluss vom 25. April hatte das BVerfG den Antrag des CDU-Abgeordneten Thomas Heilmann auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Der Antrag war darauf gerichtet, dem Bundestag die zweite und dritte Lesung sowie Abstimmung über das Klimaschutzänderungsgesetz zu untersagen (Beschluss vom 25.04.2024, Az. 2 BvE 3/24).

Was mit dem Gesetz geändert werden soll

Im bisherigen Klimaschutzgesetz (KSG) ist festgehalten: Verfehlen einzelne Sektoren gesetzliche Vorgaben zum Kohlendioxidausstoß, müssen die entsprechenden Ministerien im nachfolgenden Jahr Sofortprogramme vorlegen. Mit der Reform soll die Einhaltung der Klimaziele nun nicht mehr rückwirkend nach Sektoren kontrolliert werden, sondern in die Zukunft gerichtet, mehrjährig und sektorübergreifend. Entscheidend ist, dass Klimaziele insgesamt erreicht werden. Wenn sich in zwei aufeinander folgenden Jahren abzeichnet, dass die Bundesregierung das Klimaziel für das Jahr 2030 nicht erreichen wird, muss sie nachsteuern. Konkrete Zielvorgaben für einzelne Bereiche wie Verkehr und Industrie sollen aber künftig entfallen. Dies hat zur Folge, dass einzelne Sektoren die Klimaziele verfehlen dürfen, solange die Gesamtemissionen noch innerhalb des Rahmens bleiben.

Im vergangenen Jahr verfehlten der Verkehrs- sowie der Gebäudebereich die Vorgaben. Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) hatte daher harte Maßnahmen bis hin zu Fahrverboten am Wochenende ins Spiel gebracht, um die Dringlichkeit einer Reform zu unterstreichen. Schließlich hätte sein Ministerium – entsprechend dem bisherigen Gesetz – spätestens im Sommer ein Sofortprogramm vorlegen müssen, um die Klimaziele noch einzuhalten.

Bis 2030 muss Deutschland laut KSG seinen Treibhausgas-Ausstoß um mindestens 65 Prozent im Vergleich zu 1990 senken. Bis 2040 sollen die Emissionen um 88 Prozent sinken und bis 2045 soll Treibhausgasneutralität erreicht werden – dann dürften also nicht mehr Treibhausgase ausgestoßen werden als auch wieder gebunden werden können.

Entscheidung des BVerfG

Der CDU-Abgeordnete Heilmann hatte versucht, die zweite und dritte Lesung sowie die Abstimmung über das Gesetz kurzfristig vor dem BVerfG mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu stoppen. Das BVerfG lehnte seinen Antrag jedoch am Vorabend der Abstimmung ab. Die kurze Begründung: „weil der Antrag in der Hauptsache derzeit von vornherein unzulässig ist.“

Heilmann hatte sich durch die seiner Ansicht nach übereilte Zeitplanung in seinen Rechten als Abgeordneter „auf Beratung sowie auf gleichberechtigte Teilhabe als Abgeordneter an der parlamentarischen Willensbildung“ verletzt gesehen. Mit einer ähnlichen Begründung hatte er im vergangenen Jahr den Beschluss des umstrittenen Gebäudeenergiegesetzes (Heizungsgesetz) noch vor der Sommerpause vor­über­ge­hend verhindert. Auch nun kritisierte er, dass die Beratungszeit für ihn als Abgeordneten zu kurz gewesen sei.

Am 22. September 2023 hatte die erste Lesung im Bundestag stattgefunden. Am 8. November 2023 fand im Ausschuss für Klimaschutz und Energie eine Sachverständigen-Anhörung zu diesem Gesetzentwurf statt. Am Freitag, den 19. April 2024, wurde den Mitgliedern des Ausschusses ein Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen vorgelegt. Lediglich fünf Tage später stimmte die Mehrheit der Ausschussmitglieder der geänderten Fassung im Ausschuss zu, zwei Tage später war die finale Abstimmung geplant. Dieser Zeitraum war Heilmann zu kurz. Am selben Tag reichte Heilman seinen Antrag beim BVerfG ein, drei weitere Unionsmitglieder sowie ein Mitglied der Linke-Gruppe schlossen sich dem an. Nach der Ablehnung durch das BVerfG konnte das Gesetz dann einen Tag später beschlossen werden.

Kritik an der Abschwächung der Sektorenziele

Darüber hinaus bemängelte Heilman aber auch eine Schwächung des Klimaschutzes. Damit ist er nicht allein: Neben Oppositionspolitikern hatten auch zahlreiche Umweltverbände vor einer Abschwächung des Gesetzes gewarnt. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) etwa bemängelt unter anderem, dass der Klimaschutz damit de facto in die Zukunft verschoben werde. Ein Kritikpunkt, der auch in einem offenen Brief von 60 Juraprofessorinnen und -professoren des Verfassungs- und Völkerrechts aufgegriffen wurde.

Dabei betonen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Vorgaben des BVerfG. Dieses hatte im März 2021 klargestellt, dass das Grundgesetz zu wirksamen Maßnahmen gegen die Erderwärmung verpflichtet. Diese Pflicht gelte „auch gegenüber zukünftigen Generationen, deren Möglichkeiten, ihre Freiheitsrechte auszuüben, ohne entsprechende Maßnahmen erheblich beeinträchtigt würden.“

Dabei beziehen sie sich auf das BVerfG-Gebot des „intertemporalen Freiheitsschutzes“. Das bedeutet, dass Deutschland nicht bereits jetzt so viele Treibhausgase emittieren darf, dass das gesamte Restbudget an Emissionen damit aufgebraucht ist und zukünftige Generationen in ihrer Freiheit stark eingeschränkt würden, wollten sie noch das 1,5- bzw. 2-Grad-Ziel einhalten.

Zu diesen Klimazielen heißt es in dem Brief: „Völkerrechtlich hat sich Deutschland konkret zu wirksamen Maßnahmen verpflichtet, um den Anstieg der durchschnittlichen Erdtemperatur deutlich unter 2° C über dem vorindustriellen Niveau zu halten und Anstrengungen zu unternehmen, ihn auf 1,5° C zu begrenzen. […] Diese Verpflichtung hat das Bundesverfassungsgericht als Konkretisierung des in Artikel 20a Grundgesetz verankerten Klimaschutzziels angesehen und so die Einhaltung der völkerrechtlichen Vorgaben verfassungsrechtlich abgesichert.“

Die Hochschullehrerinnen und -lehrer forderten die Bundesregierung schließlich auf, „ein effektives Klimaschutzprogramm mit ausreichenden Maßnahmen zur Einhaltung der Klimaschutzziele und damit der völker- und verfassungsrechtlichen Verpflichtungen zu beschließen.“

Katharina Dröge (Grüne) verteidigte das nun beschlossene Gesetz im Bundestag und sagte, mit den in Rede stehenden Veränderungen werde das Klimaschutzgesetz (KSG) „ausschließlich verschärft“. Dennoch hätte sie sich als Grüne mehr Eigenverantwortung der Sektoren gewünscht. Wichtig sei aber doch, dass aufs Ganze gesehen kein Gramm mehr CO2 emittiert werden dürfe als mit dem alten Gesetz. Koalitionspartner Dr. Matthias Miersch (SPD) pflichtete ihr bei: Entscheidend seien nicht die Ziele, sondern die Maßnahmen zu ihrer Erreichung. Der Schlüssel für eine Emissionsminderung in allen Sektoren sei dabei der massive Ausbau der erneuerbaren Energien. Tobias Dürr (FDP) ergänzte, diese Bundesregierung bekenne sich nicht nur zu den Klimazielen, sondern die Ampel steige nach Jahren der Planwirtschaft um auf einen marktwirtschaftlichen, technologieoffenen Klimaschutz.

Von Seiten der Opposition kam hingegen Kritik. Andreas Jung (Union) fand deutliche Worte der Kritik an dem Vorhaben: „Sie entreißen dem KSG das Herzstück“, sagte Jung. „Sie nehmen dem Gesetz die Verbindlichkeit und machen es zu einem Papiertiger.“ Die Ampel verschaffe sich damit selbst einen Freibrief – denn danach müsse sie nichts mehr tun. Janine Wissler von der Gruppe Die Linke sprach von einem „schwarzen Tag für den Klimaschutz“ und einer „Lex Wissing“. Die Ampel höhle ein Gesetz aus, nur weil der Verkehrsminister [nicht] gewillt sei, Maßnahmen zu ergreifen, um in seinem Sektor Treibhausgase einzusparen.

Das Gesetz muss nun noch den Bundesrat passieren, bevor es in Kraft treten kann.

Quelle: Bundesrechtsanwaltskammer

Überentnahmen nach § 4 Abs. 4a EStG – Berücksichtigung des positiven Eigenkapitals einer durch den Alleingesellschafter auf sein Einzelunternehmen verschmolzenen GmbH als Einlage

FG Berlin-Brandenburg, Pressemitteilung vom 29.04.2024 zum Urteil 15 K 15090/22 vom 19.03.2024

Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg hat mit Urteil vom 19. März 2024 (Az. 15 K 15090/22) entschieden, dass bei der Berechnung von Überentnahmen nach § 4 Abs. 4a EStG auch das positive Eigenkapital einer GmbH als Einlage zu berücksichtigen ist, welche der Alleingesellschafter auf sein Einzelunternehmen verschmolzen hat.

Im Streitfall verschmolz der Kläger eine GmbH, deren Alleingesellschafter er war, gemäß §§ 1 Abs. 1 Nr. 1, 3 UmwG auf sein Einzelunternehmen. In der Folge berechnete der Beklagte für das Einzelunternehmen des Klägers Überentnahmen und erhöhte dementsprechend den Gewinn des Klägers um nicht abziehbare Schuldzinsen gemäß § 4 Abs. 4a EStG. Hierzu führte der Beklagte aus, die Übernahme des positiven Eigenkapitals der GmbH im Zuge der Verschmelzung sei bei der Berechnung der Überentnahmen bei dem Einzelunternehmen nicht zu berücksichtigen, da in dieser keine Einlagenleistung des Klägers zu sehen sei.

Das Finanzgericht hat entschieden, dass in dem durch die Verschmelzung erfolgenden Übergang des positiven Kapitalkontos der GmbH auf das Einzelunternehmen ihres Alleingesellschafters eine bei der Berechnung der Überentnahme nach § 4 Abs. 4a EStG zu berücksichtigende Einlage zu sehen ist. Zwar sei durchaus zu berücksichtigen, dass es sich bei der GmbH um eine steuerlich verselbstständigte Einheit ohne private Sphäre handelt, bei der § 4 Abs. 4a EStG nicht zur Anwendung kommt, sodass ein Fortschreiben von Überentnahmen nicht möglich sei. Jedoch gebiete eine normzweckentsprechende Auslegung des § 4 Abs. 4a EStG es, die Übernahme des positiven Eigenkapitals im Zuge der Verschmelzung als Einlage anzusehen. Durch § 4 Abs. 4a EStG soll die Verlagerung privater Schuldzinsen in den betrieblichen Bereich mittels Entnahme betrieblichen Kapitals zur Finanzierung des privaten Lebensbereichs und Deckung des betrieblichen Finanzierungsbedarfs durch Fremdkapital vermieden werden. Diesem Zweck entspricht es, die allein auf einer Strukturierungsentscheidung des Alleingesellschafters beruhende Überführung des Eigenkapitals der GmbH in sein Einzelunternehmen unter Inkaufnahme der Besteuerung nach § 17 EStG als Einlage zu betrachten. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass § 4 Abs. 4a EStG eine Einschränkung des Grundsatzes der Finanzierungsfreiheit darstellt. Diese erscheint jedoch dann nicht geboten, wenn dem Betrieb tatsächlich Kapital von außen zugeführt wird, welches, wäre es im Betrieb selbst gebildet worden, als entnahmefähig anzusehen wäre.

Die Revision wurde zugelassen, die Rechtsbehelfsfrist ist noch nicht abgelaufen.

Quelle: Finanzgericht Berlin-Brandenburg

Jedes zweite Unternehmen in Deutschland nutzt Strom aus erneuerbaren Energien

KfW/KfW Research, Pressemitteilung vom 26.04.2024

  • Sonderauswertung des repräsentativen KfW-Klimabarometers zum Tag der Erneuerbaren Energien
  • Investitionen in Erzeugung und Speicherung von Strom oder Wärme aus erneuerbaren Energien nehmen zu
  • Grüne Prozess- und Gebäudewärme bei Unternehmen noch unüblich

Private Unternehmen sind wichtige Akteure für das Gelingen der Energiewende, entfallen doch auf Industrie, Gewerbe, Handel und Dienstleistungen rund 42 % des deutschen Endenergieverbrauchs. Im Vorfeld des bundesweiten Tags der Erneuerbare Energien am 27. April hat KfW Research eine Sonderauswertung des KfW-Klimabarometers durchgeführt. Die Auswertung liefert neue repräsentative Ergebnisse zu Investitionen in sowie die Nutzung von Strom und Wärme aus erneuerbaren Energien im heimischen Unternehmenssektor: So äußerten 54 % der Unternehmen in Deutschland, dass sie grünen Strom einsetzen. Die Firmen nutzen dafür zum Beispiel einen entsprechenden Stromtarif oder haben eine Eigenversorgung anhand von Biomasse, Photovoltaik oder Windkraftanlagen aufgebaut. Die Wärmebereitstellung in der Wirtschaft basiert hingegen nach wie vor zum Großteil auf fossilen Energieträgern. Nur jedes zehnte Unternehmen gab an, in diesem Bereich klimafreundliche Alternativen einzusetzen.

Der Analyse von KfW Research zufolge haben im Jahr 2022 4,3 % der Unternehmen in Deutschland Investitionen in die Erzeugung und Speicherung von Strom oder Wärme aus erneuerbaren Energien getätigt. Das entspricht rund 160.000 Unternehmen. Im Vorjahresvergleich ist der Anteil von Firmen mit entsprechenden Maßnahmen um 1,6 Prozentpunkte angestiegen. Ein Treiber dieser Entwicklung dürften die stark gestiegenen Energiepreise für fossile Energieträger infolge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine sein, die Investitionen in erneuerbare Energien attraktiver gemacht haben. Im Verarbeitenden Gewerbe liegt der entsprechende Anteil der Unternehmen bei 7 % und damit deutlich höher als in anderen Wirtschaftszweigen. Hier finden sich auch überproportional viele größere Unternehmen, und je größer die Unternehmen, umso häufiger investieren sie in die erneuerbare Energieerzeugung.

Auch beim Einsatz erneuerbarer Energien zeigt sich ein Größeneffekt, mit Blick auf Strom wie auch Wärme. So nutzen 93 % der Großunternehmen und 62 % der größeren Mittelständler – Unternehmen mit mehr als 50 Beschäftigten und maximal 500 Mio. Euro Jahresumsatz – Strom aus erneuerbaren Energien. Unter den Kleinstunternehmen sind es nur 45 %. Bei der Wärmenutzung aus erneuerbaren Energien sind immerhin 37 % der Großunternehmen aktiv, unter den größeren Mittelständlern hingegen nur 14 % sowie lediglich 11 % der Kleinstunternehmen.

„Die verstärkte Nutzung erneuerbarer Energien ist zentral für das Gelingen der grünen Transformation im Unternehmenssektor“, sagt Dr. Fritzi Köhler-Geib, Chefvolkswirtin der KfW. „Daher ist es erfreulich, dass die Unternehmen in Deutschland ihre Investitionen in erneuerbare Energien in den vergangenen Jahren ausgebaut haben. Auch die Nutzung von grünem Strom ist bereits weit verbreitet – jedes zweite Unternehmen ist hier schon aktiv.“ Gleichwohl blieben die Herausforderungen groß.

„Handlungsbedarf besteht insbesondere bei der Wärmebereitstellung, die in der Wirtschaft nach wie vor zum Großteil auf fossilen Energieträgern basiert“, sagt Dr. Fritzi Köhler-Geib. Während in den letzten Jahren die klimafreundliche Erzeugung von Gebäudewärme die öffentliche Diskussion stark geprägt habe, müsse jetzt vor allem auch die Dekarbonisierung der industriellen Prozesswärmeversorgung stärker in den Fokus rücken.

„Hier gilt es zunächst die Energieeffizienzpotenziale auszuschöpfen, um den Prozesswärmebedarf abzusenken. Zudem bedarf es politischer Rahmensetzungen, da viele Technologien zur klimafreundlichen Prozesswärmebereitstellung in der Industrie gegenwärtig noch Wettbewerbsnachteile gegenüber den herkömmlichen fossilen Alternativen aufweisen.“

Neben einem verlässlichen und ansteigenden CO2-Preissignal seien für eine Marktdurchdringung weitere Instrumente erforderlich, wie sie die Bundesregierung etwa mit Programmen der Innovations- und Investitionsförderung bereits einsetze.

Quelle: KfW

Abstand zwischen Gering- und Besserverdienenden wird kleiner

Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung vom 29.04.2024

  • Bruttostundenverdienste der oberen und unteren 10 % der Lohnskala nähern sich an
  • Treiber für diese Entwicklung war der vergleichsweise starke Verdienstzuwachs bei den Geringverdienenden aufgrund des gestiegenen Mindestlohns
  • Besserverdienende hatten im April 2023 einen 3-mal höheren Bruttostundenlohn als Geringverdienende

Der Verdienstabstand zwischen Gering- und Besserverdienenden in Deutschland hat sich zwischen April 2022 und April 2023 im Zuge der Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns verringert. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt, hatten Besserverdienende im April 2023 das 2,98-Fache des Bruttostundenverdienstes von Geringverdienenden erhalten, im April 2022 war es noch das 3,28-Fache. Dabei zählte eine Person im April 2023 bis zu einem Stundenverdienst von 12,25 Euro zu den Geringverdienenden (untere 10 % der Lohnskala) und ab einem Verdienst von 36,48 Euro zu den Besserverdienenden (obere 10 %). Zuvor hatte sich der Verdienstabstand zwischen April 2018 und April 2022 kaum verändert. So hatten Besserverdienende im April 2018 im Vergleich zu Geringverdienenden pro Stunde den 3,27-fachen Verdienst erzielt.

Geringverdienende erhalten deutlich mehr Geld pro Stunde

Der Rückgang des auch als Lohnspreizung bezeichneten Verdienstabstands zwischen April 2022 und April 2023 ist darauf zurückzuführen, dass die Verdienste des 1. Dezils (Wert markiert die Obergrenze der unteren 10 % der Lohnskala) mit +12,4 % deutlich stärker stiegen als die des 9. Dezils (+1,9 %, Wert markiert die Untergrenze der oberen 10 % der Lohnskala) und des 5. Dezils (+4,3 %, Wert liegt in der Mitte der Lohnskala). Gerade Geringverdienende konnten somit eine deutliche Verdienststeigerung verzeichnen, was vor allem auf die Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns von 9,82 Euro auf 12 Euro die Stunde in diesem Zeitraum zurückzuführen ist.

Lohnspreizung sowohl in Ost- als auch in Westdeutschland reduziert

In West- und Ostdeutschland waren die Veränderungen bei der Lohnspreizung zwischen April 2022 und April 2023 ähnlich. Im Westen wie im Osten sank der Verdienstabstand zwischen Gering- und Besserverdienenden, weil die Bruttostundenverdienste der Geringverdienenden (1. Dezil) mit +11,8 % in Westdeutschland und +15,3 % in Ostdeutschland deutlich stärker stiegen als die Verdienste der Besserverdienenden (9. Dezil: West +1,8 % und Ost +2,8 %). Der mittlere Verdienst stieg im gleichen Zeitraum im Westen um 4,2 % und im Osten um 6,1 %. Folglich profitierten Geringverdienende sowohl in West- als auch in Ostdeutschland von der Erhöhung des Mindestlohns. Zuvor war der Verdienstabstand zwischen April 2018 und April 2022 im Westen leicht gestiegen, während er im Osten konstant geblieben war.

Lohngefälle in Westdeutschland nach wie vor stärker als in Ostdeutschland

Nach wie vor war das Lohngefälle im April 2023 im Westen deutlich größer als im Osten: So erhielten Besserverdienende in Westdeutschland den 3,04-fachen Bruttostundenverdienst von Geringverdienenden, während Besserverdienende in Ostdeutschland den 2,49-fachen Verdienst von Geringverdienenden erzielten. Im April 2022 lag der Verdienstabstand Im Westen bei 3,34 und im Osten bei 2,8.

Quelle: Statistisches Bundesamt (Destatis)

Preiserwartungen leicht gestiegen

ifo Institut, Pressemitteilung vom 29.04.2024

Etwas mehr Unternehmen als im Vormonat wollen im April ihre Preise anheben. Die ifo Preiserwartungen sind leicht auf 15,1 Punkte gestiegen, nach 14,3 im März. „In den kommenden Monaten dürfte die Inflation erst einmal nicht weiter zurückgehen und bei knapp über 2 % verharren“, sagt Sascha Möhrle, Konjunkturexperte am ifo Institut.

In den konsumnahen Branchen sind die Preiserwartungen auf 25,8 Punkte gestiegen, nach 24,6*. Vor allem Unternehmen in der Gastronomie (34,4 Punkte, nach 28,9*) und im Einzelhandel mit Spielwaren (47,4 Punkte, nach 34,9*) und Drogerieartikeln (45,5 Punkte, nach 18,1*) planen mit steigenden Preisen. Hingegen wollen weniger Lebensmitteleinzelhändler (17,4 Punkte, nach 37,7*), Hotelbesitzer (28,5 Punkte, nach 33,4*) und Reiseveranstalter (32,7 Punkte, nach 36,9*) ihre Preise anheben.

Das Bauhauptgewerbe plant immer noch mit sinkenden Preisen: -7,7 Punkte, nach -10,7*. In der Industrie sind die Preiserwartungen leicht gesunken auf 6,0 Punkte, nach 6,3*.

Die Punkte bei den ifo Preiserwartungen geben an, wie viel Prozent der Unternehmen per Saldo ihre Preise erhöhen wollen. Der Saldo ergibt sich, indem man vom prozentualen Anteil der Unternehmen, die ihre Preise anheben wollen, den prozentualen Anteil derer abzieht, die ihre Preise senken wollen. Wenn alle befragten Unternehmen beabsichtigten, ihre Preise zu erhöhen, läge der Saldo bei +100 Punkten. Würden alle ihre Preise senken wollen, läge er bei −100. Der Saldo wurde saisonbereinigt. Das ifo Institut fragt nicht nach der Höhe der geplanten Preisänderung.

* Saisonbereinigt korrigiert

Quelle: ifo Institut